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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition)
Autoren: Bodo Kirchhoff
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vielleicht Horgans klagenden Atem im Schlaf. Er fuhr herum. Ich bin es, Mister Kurt, ich. Aufatmen, Schweigen. Seine Augen folgten meiner Hand, dem Streicheln der Hündin. Komme gerade von draußen. Eine dieser erschlagenden Sternennächte. Ich beobachte hier seit vierzig Jahren den Himmel; müde? Er sah mich an, sagte ja und deutete auf das Tier. Warum hat sie diesen Namen? – Weil ich sentimental bin. Sie nicht? Erneutes Aufatmen, Lächeln. Gute Nacht, Mister Kurt. – Gute Nacht, Father.«
    Ein rascher, einprägsamer Dialog; der Deutsche hatte seine Melodie noch im Ohr, als er ausgezogen auf dem Bett lag und zur Balkontür sah. Warmer Wind bewegte die Tür lautlos nach innen, und eine Gegenkraft schloß sie bald wieder sanft. Erst gegen Morgen kühlte es ab, und er sank in flachen Schlaf. Die Luft verlor ihre Schwere, das Unendliche der Dunkelheit wich einer Ahnung von Licht, der Horizont kehrte wieder. Eine Brise strich durch die Kronen der Bäume und brachte die dünnen Drahtseile, die den Sendemast hielten, zum Singen; Hähne schrien.
    Noch vor Sonnenaufgang klang eine wie von winzigen gläsernen Spieluhren erzeugte Musik durch die ganze Station und weckte die Priester. Sie kam aus einem Kassettengerät, das in der Küche stand, fädelte sich in den Schlaf und drang in Etappen ins Bewußtsein, auch in das von Kurt Lukas. Als die Klänge endeten, stand er auf, und ein fast vergessenes Wort fiel ihm ein. Muskelkater. Leise stöhnend, beide Hände auf den Schenkeln, trat er mit Greisenschritten auf den Balkon und wartete die Sonne ab, das letzte fehlende Stück Drehung der Erde, und war bewegt, als sie mit einem Ruck ihren gleißenden Rand zeigte. Schon ihr erster Strahl erwärmte sein Gesicht. Wie immer am Morgen hatte er Durst; Mineralwasser, viel Kaffee und ein Stückchen, das war sein Frühstück in Rom. Er zog sich an.
    Im Gemeinschaftsraum war schon gedeckt, aber es saß noch niemand am Tisch. In den Regalen der Anrichte fand er eine Büchse mit klumpigem Zucker und eine Büchse mit klumpigem Kaffee-Extrakt. In einer Blechdose war gelbliches Milchpulver, in zwei Thermoskannen stand heißes Wasser bereit. Alle Mengen schienen bemessen, und er wagte es nicht, sich zu bedienen. Die Hündin kam durch ein weiteres ausgesägtes Türchen aus der Küche und legte sich unter den Stuhl von McEllis. Kurt Lukas drehte sich um. Schräge Sonnenstrahlen schossen herein und ließen die Bücherwand samt ihrem Staub leuchten. Er lief von einem Fenster zum anderen. Er wollte überall zugleich sein. Der Duft gebackener Eier mischte sich jetzt mit einem Duft aus dem Tal nach verdampfendem Tau auf Millionen von Blüten. Er atmete beides ein und sah in die blendende Sonne, er trat auf dem Boden auf, daß es knackte im Holz, und strich an den Fliegengittern entlang. Er winkte dem Tier zu, er roch an den Buchrücken. Er hörte Schritte.
    Die alten Priester kamen von der Messe. Sie kamen geschlossen, als letzter Butterworth in einer grauen Soutane. Mit einer Geste, einer Silbe, einem Blick wünschten sie guten Morgen. Dalla Rosa trug auf. Es gab Eierkuchen, getrockneten Fisch und Reisbrei. »Und geht es Ihnen gut, Mister Kurt?« fragte Pacquin nach einer Weile.
    »Nur Muskelkater.«
    »Vom Treten«, bemerkte McEllis, »ich dachte, Sie seien trainiert.« Er schob Toast in einen Röster und erinnerte den Superior daran, daß ein Brief beantwortet werden müsse. Es ging um einen Novizen. Man wußte nicht viel über ihn, war nur darüber unterrichtet, daß sein Wunsch, dem Orden beizutreten, unter Umständen, so die Vermutung, ein extremer Fall von Selbstgefälligkeit sei. Der Psychologe des Seminars hatte in einem Schreiben zu Händen Pacquins von verdächtiger Opferbereitschaft gesprochen, die durch eine Betreuung Father Horgans auf die Probe gestellt werden könnte. Kein Geringerer als der Bischof der Gegend, der einmal im Monat zum Mittagessen auf die Station kam, hatte Horgans Fähigkeiten, einem Menschen auf den Zahn zu fühlen, immer wieder gerühmt. Sein Besuch stand bevor; er werde den Novizen gleich mitbringen, hieß es.
    Aus dem panzerartigen Röster stieg Qualm auf, keiner der Alten zeigte sich überrascht. Dalla Rosa öffnete das Gerät und schubste die geschwärzten Schnitten mit der Gabel heraus, sie sprangen in Stücke – »Im Prinzip funktioniert er, Mister Kurt, er wird nur zu heiß.« McEllis verteilte die Trümmer. Die Priester kratzten das Schwarze herunter und häuften auf den Rest Konfitüre; so geschah es jeden
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