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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte
Autoren: Mary Jo Putney
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lebendig begraben zu sein.
    Er hatte genug Platz, um aufzustehen und ein paar Schritte zurückzugehen. Nachdem er ein paarmal tief Luft geholt hatte, wischte er sich die Handflächen an seinem Mantel ab. Dann nahm er Anlauf und sprang ins Leere.
    Lauras Höhle verjüngte sich am anderen Ende rasch zu einem Tunnel, in dem man gerade noch kriechen konnte. Während die vier die Öffnung musterten, sagte sie: »Ich bin die schmälste, also gehe ich vor.«
    Obwohl der Gedanke David gar nicht gefiel, konnte er nicht bestreiten, daß es das beste war. »Also gut, aber binde dir ein Seil um die Taille. Wenn etwas passiert, zieh daran oder ruf, und wir holen dich raus.«
    Sie lag auf dem Bauch und robbte, in einer Hand die Kerze, vorwärts. Die Schatten flackerten wild, aber sie hatte wenigstens Licht. Was mußte Ian empfinden, der die Dunkelheit so haßte?
    Nicht daran denken.
    Nach einigen Minuten, in denen sie sich Ellenbogen und Knie blutig schrammte, kam sie in eine weitere Höhle. Obwohl sie sich vorsichtig aufrichtete, stieß sie sich den Kopf und ließ die Kerze fallen, die sofort erlosch. Gott sei Dank hatte David dafür gesorgt, daß sie Streichhölzer und andere Kerzen hatte. Sie zündete eine zweite an und blickte sich um. Die Höhle war ein glitzernder, funkelnder Märchenort voller Säulen, glasierter Steinzapfen und kristallener Wände. Der Raum war gewaltig, die Decke höher als die eines Ballsaals. Sie ging zurück zum Tunnel und rief hindurch: »Ich habe eine große Höhle gefunden, und der Tunnel wird nicht enger als am Anfang. Ihr müßtet es schaffen.«
    Ein paar Minuten später tauchte Zafir, gefolgt von David und Kuram, auf. Wie gut, daß keiner der drei dick war.
    Nachdem sie den Raum untersucht hatten, standen sie vor der Wahl zweier anderer Öffnungen. »Laura und ich nehmen die rechte«, sagte David, »ihr beide die linke. Wenn der Tunnel sich gabelt, trennt ihr euch. Nehmt die vielversprechendste Richtung, aber kratzt Pfeile in die Wände, damit ihr zurückfindet. Seid vorsichtig und laßt euch nicht von Müdigkeit übermannen.«
    Die Pathanen nickten, und sie trennten sich. Laura betrat den neuen Tunnel, der hoch genug zum Aufrechtgehen war, dafür aber sehr schmal. Wasser rann am Boden entlang, und es ging bergauf. Plötzlich erkannte Laura, wie aussichtslos dieses Unterfangen war. Das Höhlensystem konnte sich endlos verzweigen, ohne jemals mit Ians Höhle verbunden zu sein, selbst wenn er noch am Leben war. David hatte recht, als er sie gewarnt hatte, sie solle keine Wunder erwarten.
    Doch dann verhärtete ihre Miene sich. Denk daran, daß du Russin bist.
    Nicht aufgeben.
    Ians Sprung ins Leere dauerte so lange, daß er schon sicher war, sich verschätzt zu haben, um nun abwärts in den Schacht zu stürzen. Doch dann landete er heftig auf einer glitschigen, unregelmäßigen Oberfläche. Er verlor das Gleichgewicht, stürzte und rutschte über den Boden, bis er an einer Wand liegenblieb.
    Er tastete sich ab, aber nichts war gebrochen. Er schwankte, als er auf die Füße kam und erkannte, daß die Prellungen, die Müdigkeit, Kälte und Hunger ernsthaft an seinen Kräften zehrten. Aber er mußte weiter, solange er sich noch bewegen konnte. Wenn er sich zum Ausruhen hinlegte, würde er vielleicht nicht mehr aufstehen.
    Den nächsten Abgrund entdeckte er durch Tasten, statt fast hineinzurutschen. Wieder warf er Steinchen, mußte jedoch feststellen, daß sich gegenüber offenbar nur eine Wand befand. Zwar schien dieser Schacht nicht ganz so tief zu sein, und der Tunnel konnte etwas weiter unten weiterführen.
    Aber mit einem gebrochenen Bein war er in jedem Fall verloren. Was tun?
    Dann fiel ihm sein Turban ein, der aus Metern solider Baumwolle gewebt war. Er zerriß ihn einmal der Länge nach, band die Enden zusammen und schlang das daraus entstandene Seil doppelt um eine Steinsäule, die aus dem Boden ragte. Dann ließ er sich in den Schacht hinunter. Da! Seine Zehen berührten festen Boden. Er ließ ein Ende seines Strickes los und zog am anderen, dann wickelte er sich den Stoff um die Hüften, falls er ihn noch brauchen würde.
    Und so ging es weiter: weite Höhlen und schmale Gänge, die er sich nur durch Gehör und Tastsinn erschloß. Einmal mußte er sich durch eine Art Kamin hinablassen, indem er den Rücken gegen den Stein preßte und sich mit Händen und Füßen an der gegenüberliegenden Seite abstützte. Er hoffte inständig, daß der Schacht nicht weiter wurde, so daß er sich halten
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