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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition)
Autoren: Clemens J. Setz
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einen Namen dafür?
    – Nein, er zieht es vor – 
    – Ach, dieser verdammte Idiot, sagte Frau Häusler-Zinnbret mit einem Lachen, und dann fügte sie hinzu: Entschuldigung. Was wollte ich sagen? Ah ja, die Nähe zu den Dingos kann Menschen verändern. Ich meine, nicht nur körperlich … sondern auch ihr Weltbild. Macht er eigentlich immer noch diese … diese Bäder?
    Ich war so erstaunt, sie das Wort Dingo verwenden zu hören, dass es dauerte, bis ich antwortete:
    – Wer?
    – Dr. Rudolph.
    – Bäder? Ich weiß nicht.
    Frau Häusler-Zinnbret spitzte kurz die Lippen, dann lächelte sie. Der Fächer übernahm für sie die Aufgabe, ungläubig den Kopf zu schütteln.
    – Welche Bäder meinen Sie?, fragte ich nach.
    – Das Bad in der Menge, sagte sie.
    – Ich habe davon nichts mitbekommen.
    – Dr. Rudolphs persönliche Kneipp-Kur. Er lässt sich von den kleinen Dingos umringen und erträgt die Symptome. Stundenlang. Er schwört darauf. Das müssen Sie doch gesehen haben …
    Ich schüttelte den Kopf.
    – Aber dass er ein Fanatiker ist, ist Ihnen aufgefallen?
    – Ja, sagte ich. Ich meine, er hat sein Institut nach dem Spiegelprinzip aufgebaut, das heißt, die Lehrer interagieren ebenso wenig direkt miteinander wie die Schüler. Damit sie wissen, wie sich die Schüler fühlen.
    – Ich kann mir vorstellen, dass man da ganz schön einsam wird, sagte Frau Häusler-Zinnbret. Aber es fallen einem auch bestimmt ein paar Sachen auf.
    War das eine Aufforderung?
    – Ja, sagte ich und versuchte, mir meine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. Man kriegt schon einiges mit, also zum B– 
    – Ich hab ihn früher wirklich bewundert, unterbrach mich Frau Häusler-Zinnbret. Seine Arbeitsmethoden. Und diese absolute Beherrschung aller Techniken. Er war blitzschnell, wissen Sie. Wirklich blitzschnell. Ein Virtuose. Aber dann war ich einmal mit ihm in einer seiner Wiener Fördergruppen, also hauptsächlich Kinder mit Down-Syndrom und auch ein paar andere Beeinträchtigungen waren dabei … Jedenfalls hat er dieses Spiel mit ihnen gespielt, Reise nach Jerusalem, aber mit gleich vielen Stühlen wie Teilnehmern. Also vollkommen sinnlos. Und er hat irgendeinen Abzählreim aufgesagt, und die äh … die Kinder sind im Kreis gelaufen und dann, bumm!, haben sie sich hingesetzt. Und dann haben sie sich gegenseitig angeschaut, als wollten sie sagen: Und was hat das jetzt für einen Sinn? Aber Dr. Rudolphs Theorie war, dass niemand ausgeschlossen werden darf, erst recht nicht das langsamste Kind. Keine Gewinner, keine Verlierer. Na ja, wie gesagt, ein Fanatiker. Er hat immer gesagt, es gibt keine Happy Ends, nur hin und wieder Fair Ends.
    – Fair Ends, sagte ich. Ja, genau. Das hat er oft gesagt.
    – Ein Irrer, sagte Frau Häusler-Zinnbret.
    Der Fächer in ihrer Hand bewegte sich zustimmend.
    – Er hat mir unmissverständlich klargemacht, sagte ich, dass ich im Institut nicht mehr erwünscht bin.
    – Aha, sagte sie und ließ eine Pause entstehen.
    Ich spürte, wie die Hitze in mein Gesicht stieg. Ich nahm einen Schluck Wasser und wollte den obersten Knopf meines Hemdes lockern. Aber er war bereits offen.
    – Um auf Ihre eigentliche Frage zurückzukommen, sagte Frau Häusler-Zinnbret. Es ist schon eine Weile her, dass ich direkt mit einem Di… mit einem dieser armen Geschöpfe zu tun hatte. Sie sind ja, Gott sei Dank, selten … immer noch relativ selten, ja … Aber das soll nicht heißen, dass ich mich nicht gut erinnern könnte. Allerdings müssen Sie mir schon konkrete Fragen stellen, Herr Seitz, sonst kann ich nichts erzählen.
    – Natürlich.
    Ich nahm meinen Notizblock aus der Tasche.
    Drei Fragen hatte ich notiert. Mehr war mir nicht eingefallen. Gerne würde ich behaupten, dass ich aus Erfahrung wusste, dass man in einem ungezwungenen Gespräch immer viel mehr erfährt als in einem klassischen Interview mit vorbereiteten Fragen – aber ich verfügte über keinerlei Erfahrung.
    – Ja, also meine erste Frage wäre … Wann haben Sie das erste Mal mit Indigo-Kindern gearbeitet?
    Man sah Frau Häusler-Zinnbret an, dass sie auf diese Frage vorbereitet war. Sie war ihr bestimmt Hunderte Male gestellt worden,und in ihrem Blick lag ein Vorwurf: Das hätten Sie auch in anderen Interviews mit mir nachlesen können, junger Mann. Ich nahm einen Schluck Geschirrspülwasser und setzte meinen Stift auf den Notizblock, bereit, alles mitzuschreiben, was da kommen mochte.
    – Na ja, sagte sie,
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