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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten
Autoren: Tim Powers
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obwohl andere Gäste in Shandys Nähe neugierig den Hals reckten –, und er setzte seine Ansprache fort. » Uns scheint klar zu sein, dass Shandy von dieser Abendgesellschaft gehört hat, und beabsichtigt, hierherzukommen, um irgendeine Art von Raub oder Entführung zu begehen. Eine Gruppe bewaffneter Marinesoldaten wird soeben zusammengestellt, um hierherzukommen und ihn abzufangen, und in der Zwischenzeit werden mein Kamerad und ich …«
    Hicks hatte die Unruhe im hinteren Teil der Menge bemerkt und spähte wachsam in diese Richtung – und dann fiel der dicke alte Mann vor ihm auf die Knie, und Shandys und Hicks’ Blicke begegneten sich.
    Sowohl Shandy als auch Hicks zuckten zusammen, weil das, was sie sahen, ein Geist zu sein schien.
    Nach dem ersten Augenblick des Schrecks wusste Shandy, dass es nicht sein Vater war – das Gesicht war zu aufgeschwemmt und der Mund zu kindlich –, aber die Augen, die Nase, die Wangenknochen und die Stirn glichen denen seines Vaters, und nur für einen Moment staunte er über die Chance, dass ein Fremder solche Ähnlichkeit mit seinem Vater haben könnte; aber im nächsten Moment begriff er, wer der Mann und was die wahre Geschichte hinter dem » Selbstmord« von Sebastian Chandagnac sein musste.
    » Mein Gott!«, rief eine Frau in Shandys Nähe. » Das dort ist er!«
    Mehrere Männer unter den Gästen runzelten die Stirn und griffen nach ihren Paradeschwertern, aber um blankzuziehen, mussten sie erst einmal Abstand von Shandy gewinnen.
    Plötzlich begann der kahle Mann zu lachen, ein tiefes Dröhnen der Heiterkeit wie eine stürmische Brandung, die sich an Felsen brach, und Shandy erkannte ihn.
    Dann hatten die beiden Marineoffiziere Pistolen gezogen und riefen den Gästen zu, dass sie beiseitetreten sollten, und eine Anzahl von Männern näherte sich widerstrebend Shandy, wobei sie die Art von Schwertern schwangen, die man bei einem Schneider bestellt, und Sebastian Chandagnac forderte laut, dass die Offiziere den Piraten auf der Stelle erschießen sollten.
    Frauen schrien, Männer stolperten über Stühle, und Shandy sprang auf den Tisch, hatte schon blankgezogen, als er dort landete, und beförderte die Punschschale mit einem Tritt zu Boden, bevor er über den Tisch zur Vordertür rannte. MacKinleys Pistole knallte ohrenbetäubend, aber die Kugel zersplitterte die Wandkleidung über Shandys Kopf, und dann sprang er vom Ende des Tisches. MacKinleys Gefährte richtete eine Pistole direkt auf Shandys Brust, und Shandy, dem nichts anderes übrig blieb, stürzte sich auf ihn, wehrte den langen Pistolenlauf mit seiner Säbelklinge ab und schlug dem Offizier mit einer Korkenzieherbindung die Waffe aus der Hand.
    Hinter ihm glitten Männer auf dem nassen Punsch aus und fluchten, und einige Schwerter fielen klirrend zu Boden. Shandy sprang zur Seite, riss seine Klinge herum und setzte MacKinley die Spitze auf die Brust. Alle erstarrten. Die Pistole rutschte noch über den Boden und blieb an der Wand liegen.
    » Ich denke, ich werde mich ergeben«, sagte Shandy in das plötzliche Schweigen hinein, » aber bevor ich das tue, will ich Euch sagen, wer Joshua Hicks ist. Er ist …«
    Sebastian Chandagnac hatte sich auf die Pistole gestürzt und tauchte jetzt damit auf; im Sitzen feuerte er auf Shandy.
    Die Kugel zerriss Leutnant MacKinley den Kopf – und als der Leichnam davongeschleudert wurde und das Schreien und Krachen wieder einsetzte, lauter jetzt, kam Shandys Onkel auf die Füße, zog sein eigenes Zierschwert und ging auf seinen Neffen los. Shandy parierte die Klinge mühelos, obwohl seine weißen Handschuhe an den Säumen rot glänzten, stürzte vor und packte seinen Onkel an der Kehle.
    » Beth Hurwood, das Mädchen, das du gefangen hältst«, knurrte er. » Wo ist es?«
    Der kahlköpfige Morcilla war vorgetreten, als wolle er sich einmischen, aber bei diesen Worten hielt er inne.
    » Oben«, weinte Sebastian Chandagnac mit geschlossenen Augen, » abgeschlossenes Zimmer.«
    Frauen schluchzten, und mehrere Männer standen mit gezückten Schwertern in der Nähe und sahen einander unsicher an. Der zweite Marineoffizier hatte sein Schwert gezogen, aber es schien ihm zu widerstreben, sich zu nähern, während Shandy offensichtlich eine Geisel hatte.
    Shandys linker Daumen war auf dem Kehlkopf seines Onkels, und er wusste, dass er ihn so leicht zerquetschen konnte, wie er ein Ei hätte zerbrechen können; aber er war der Tode überdrüssig und dachte nicht, dass es ihm irgendeine
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