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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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wirkende Gruppe von Terranern ins Leere starrte, »das sind leider hoffnungslose Fälle.«
    Clay sah ihn an.
    »Oh, oh«, machte der Sozif und hob tadelnd den Zeigefinger, »seit der Separierung der Venuskolonie vor siebzehn Jahren ist es für euch Terris – ähm, das war nicht böse gemeint, ich bitte tausendmal um Verzeihung – nicht mehr so einfach, Zugang zu unseren hochwohlgepriesenen Kulturinseln zu erhalten. Wissen Sie ...« – er beugte sich so weit vor, daß seine Lippen fast Clays Wangen berührten –, »es ist ja unglaublich, was da manchmal von der Erde hochkommt. Nun ja, jedenfalls können wir nicht alle aufnehmen, die gerne hier leben möchten, nur die, die in der Lage sind, sich in die Kultur unserer Lokationen zu integrieren und verantwortungsbewußte Mitglieder unserer diversen Gesellschaften zu werden. Was ist mit Ihnen? Mögen Sie Tulpen?«
    »Nein«, knurrte Clay. »Und auch keine Rosen und Veilchen und Orchideen. Und jetzt verzieh dich.«
    »Oh«, machte der Sozif empört. »Sie erschweren mir meine Selbstfindung, Sie ... Sie Ignorant.« Und mit wehender Tunika machte er sich davon und verschwand in der Menge. Shereen, dachte Clay. Gott, Shereen, was kann hier nur aus dir werden ...! Er schritt weiter auf den Pavillon zu, und die innere Flamme seines Zorns loderte wieder höher. Wenn der erste Eindruck nicht täuschte, entsprach die Venuskolonie genau dem Bild, das er sich schon auf der Erde gemacht hatte: ein Sumpf, was Moral und Ethik anging, ein Sündenbabel, in dem seine Tochter ertrinken würde, ein Irrenhaus, in dem das Normale auffiel und der Narr König unter Königen war.
    »En Vogue, kommen Sie nach En Vogue!« rief eine Frau von einem Podium herunter. Ihre nackten Brüste bebten, und auf den Warzen klebten zwei kristallene Schmetterlinge, die rhythmisch die Flügel bewegten. »Unsere Mode ist die beste. Wir suchen Schneider und Schneiderinnen, die ihre Kreativität entfalten wollen. Kommen Sie nach En Vogue ...«
    »... Brainburg. Entdecken Sie die Welt Ihrer Gedanken, erforschen Sie die Tiefen Ihres Geistes ...«
    »... Raja-Yoga. Wollen Sie der Realität einen neuen Ausdruck geben? Wollen Sie Ihr eigenes Abbild der Welt formen? Dann kommen Sie nach Raja-Yoga und nehmen Sie teil am grenzenlosen Kosmos der Kunst ...«
    »... haben die chauvinistischen Tendenzen in Leiblichkeit weiter zugenommen und inzwischen ein nicht mehr länger zu tolerierendes Ausmaß angenommen!« dröhnte es aus einem Lautsprecher, der in einer Skulptur mit weiblichen Formen untergebracht war. »Baba-Jaga verurteilt die Ausuferungen einer längst überlebten Vergangenheit. In Leiblichkeit wird ein Männerkult betrieben, der die ganze Lokation der Lächerlichkeit preisgibt. Kommt zu uns, ihr Matratzenkünstler, und ihr werdet euer blaues Wunder erleben ...«
    Clay schnaubte und trat durch den breiten Zugang in den Informationspavillon hinein. Offenbar existierte ein unsichtbares Abschirmfeld, denn der Lärm des Shuttle-Terminals ließ deutlich nach. Elektronische Sichtgeräte summten leise, und aus verborgenen Lautsprechern klang dezente Musik. Männer und Frauen hockten in bequemen Lehnsesseln und beantworteten die Fragen der Besucher. Clay trat an eine Frau mit kurzgeschorenem, rotschillerndem Haar heran. Sie trug ein Kleid, das sich wie der Leib einer Schlange um ihren zarten Körper wand, und der stilisierte Kopf einer Kobra ragte über ihre linke Schulter hinaus. Sie hatte diverse Schminkutensilien auf dem Tisch ausgebreitet und bearbeitete mit großer Hingabe ihre Lippen und Wangen. Clay räusperte sich, und die Frau wandte sich um.
    »Was kann ich für dich tun, Bruder?« fragte die Frau, die in Wirklichkeit ein Mann war.
    Clay starrte schockiert in das mit farbigen Darstellungen von Schmetterlingen, Libellen und Spinnen geschmückte Gesicht. Ein Schwuler. Und er machte nicht einmal einen Hehl daraus. In der Hochstadt von Metrocago gab man sich größte Mühe, genetische Verirrungen dieser Art schon im Ansatz zu entdecken und die Gemeinschaft von solchen Abnormitäten freizuhalten.
    »Ich möchte Ihren Vorgesetzten sprechen«, antwortete Clay. Neben ihm summte Tasche und sondierte unbemerkt den Dateninhalt der elektronischen Speicher. Es war schon zur Routine geworden.
    »Meinen ... was?« Der Erklärte Homo runzelte die Stirn, dann lächelte er breit. »Ah, jetzt verstehe ich, Bruder. Neinnein, das gibt's hier nicht. Sie müssen schon mit mir vorliebnehmen.« Plötzlich grinste er breit. »He, du bist
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