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In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)

In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)

Titel: In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)
Autoren: Ales Pickar
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Wohnung gelaufen, mit riesigen Blutflecken auf der Kleidung. Es war also nicht verwunderlich, dass ihn dort die Polizei nur zwanzig Minuten später aufgriff und festnahm. Bei dem Toten handelte es sich um einen jungen Maler. Die Verletzte im Krankenhaus war eine Prostituierte, die sich etwas dazuverdiente, in dem sie für den Maler Modell saß. Mit dem affektierten Ehemann hatte sie nichts zu tun. Der war nämlich unverheiratet. Es zeigte sich, dass er die Prostituierte jede Woche bis zu dem Haus des Malers verfolgte. Was halten Sie davon?
    JK: Und die Geliebte? War sie echt?
    Tp: Ja, aber sie konnte keines der Gespräche bestätigen, die der Patient schilderte. Die Aufstachelei und alles.
    JK: [überlegt eine Weile] Finden Sie es nicht ungewöhnlich, mir eine solche Geschichte zu erzählen?
    Tp: Ich sehe, Sie sind sehr intelligent und haben mein Anliegen durchschaut. Ein Psychotherapeut würde Ihnen nie eine derartige Geschichte erzählen. Aber ich sehe Sie nicht als einen gewöhnlichen Patienten an. Es ist jedoch wichtig für mich, Sie zu erreichen.

Warum Gott mein Fahrrad nicht repariert

    Ich hatte als Junge ein Fahrrad. Ich hatte in den Sommerferien bei meinem Onkel damit das Radfahren gelernt. Doch kaum beherrschte ich es, mehr als zwanzig Meter auf meinem Gefährt zurückzulegen, ohne in den Straßengraben zu stürzen, brach eines der Pedale ab. Bei meiner Rückkehr zum Schrebergarten meines Onkels, zerbeult und mit einem Loch in der Hose, erwartete ich wüstes Geschimpfe durch meinen Vater. Doch es überraschte mich zu hören, dass sein Schimpfen nicht mir galt, sondern dem Hersteller des Fahrrads. Er tobte und erklärte, dass in unserem Land nur noch Schrott produziert wird und dass wir nur noch dem Namen nach eine führende Biernation seien.
    Damals hatte ich das erstemal über Gott und Jesus gehört und dass dieser Mann Wunder tat und Wünsche erfüllen konnte, auch Tote wiedererwecken. Diese Dinge hatten in meiner Umgebung stets den Anstrich des Konspirativen und wurden wie geheime Informationen zwischen den Erwachsenen gereicht. Ich wuchs in einem offiziell atheistischen Staat, da Karl Marx irgendwann klar und deutlich gemacht hatte, wie ungünstig sich Religion in einem modernen Arbeiterstaat ausmacht. Die Wahrheit war natürlich eine andere: die Emporkömmlinge der Partei hatten so gar keine Lust, ihre Macht mit einem ominösen Übervater zu teilen, der auch noch durch eine Horde Priester im Ornat vertreten werden sollte. Zu meiner Zeit gab es nur einen Übervater und der hieß Leonid Breschnew.
    Auf diese Weise hatte ich vom Beten erfahren. Ich verstand mit meinen neun Jahren das ganze als eine Art Zaubertrick, mit dessen Hilfe man auf übersinnliche Weise bestimmte Dinge erreichen konnte. Vorausgesetzt man wünschte es sich stark genug. Ich legte mir eine Theorie zurecht, die das erklärte. Jesus war der Typ, der das ein solches Wunder möglich machte. Er bekam seine Kraft von Gott. Aber ich konnte durch Beten mich an Jesus wenden und somit etwas von dieser Kraft abzapfen, so wie man mit einer Draht etwas von einer Stromleitung abführen konnte. In der Schrebersiedlung meines Onkels hatten es die beiden Familien Balog und die Balazsch auch so gemacht. Sie hängten einen langen Haken an die Stromleitung, die am Rande der Siedlung entlang führte und bezogen ihre Elektrizität umsonst.
    Und so betete ich heimlich den ganzen Abend, damit Jesus durch mich mein Fahrrad repariert. Ich versuchte meine Gebete dadurch zu verstärken, in dem ich die Zähne fest zusammenbiss und meinen Unterkiefer anspannte. Ich konzentrierte mich auf mein Fahrrad und die Bruchstelle des Pedals. Ich versuchte mir Jesus vorzustellen und mit ihm telepathisch Kontakt aufzunehmen. Irgendwann schlief ich erschöpft ein.
    Der nächste Morgen bereitete einen Schock für mich. Als ich mein Fahrrad in Augenschein nahm, war das Pedal wieder dran. Ich überlegte gar nicht erst und sprang auf den Sattel. Ich radelte los und stürzte nach zehn Metern bombastisch in den Staub. Erst später erfuhr ich, dass am selben Abend mein Vater und mein Onkel versucht hatten, das Pedal mit Hilfe eines ausgeliehenen Schweißgeräts wieder anzubringen. Doch es war nur ein Versuch. Das Pedal konnte an der Bruchstelle nicht mehr mein Gewicht halten.
    In unserer Gegend war Fahrradzubehör rar. Erst wenn wir am Ende der Sommerferien wieder nach Prag fahren würden, gab es die Möglichkeit, ein neues Pedal zu kaufen, oder danach zumindest zu suchen.
    Diese
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