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In den Armen des Dämons: Roman (German Edition)

In den Armen des Dämons: Roman (German Edition)

Titel: In den Armen des Dämons: Roman (German Edition)
Autoren: Carolyn Jewel
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sein Gesicht verschwamm hinter Schwaden von Orange. Ihre Haut begann zu kribbeln, in einer Welle vom Kopf bis zu den Beinen und wieder zurück bis zum Hals. Kantonesische Laute schrillten in ihren Ohren, und einen Moment lang war sie in der Lage, den Sinn der Worte zu verstehen. Doch gleich darauf nahm sie nur noch den unverständlichen Rhythmus einer Sprache wahr, die vom asiatischen Kontinent stammte.
    In China war das Kantonesische eine aussterbende Sprache, verdrängt vom Mandarin. Doch hier, in Städten wie San Francisco mit einem hohen Anteil an Asiaten, deren Vorfahren in der Zeit des Goldrauschs in die USA eingewandert waren, war Chinesisch gleichbedeutend mit Kantonesisch.
    Im Hintergrund hallte der Verkehrslärm. Hupen ertönten, Räder sirrten über den Asphalt, Motoren röhrten. Die Luft roch scharf nach Abgasen. Tauben gurrten von den Dachrinnen. Carson hörte in sich verändernder Tonfrequenz die Leute reden, die an ihr vorbeigingen, und gleichzeitig die blechernen Laute aus ihren iPods. Musik aus einem der offenen Läden legte sich über all die Geräusche. Carson konzentrierte sich darauf, gleichmäßig zu atmen, doch ihre Kopfschmerzen wollten nicht vergehen.
    » Na, so was«, sagte eine samtweiche Stimme hinter ihr, » wenn das nicht Magellans Hexe ist!«
    Urplötzlich ließ alles nach, was sie quälte: die wirbelnden Farben, die verzerrten Laute, die Eiseskälte, die sich in ihrem Magen zusammenzuballen schien. Ihre Gedanken klärten sich. Sie war meilenweit von ihrem Zuhause entfernt. In San Francisco. In Chinatown. Einen halben Block hinter der Kreuzung von California Street und Grant Street. Und ungefähr eine Meile von der Toreinfahrt entfernt, in der sie die Nacht verbracht hatte. Wenn sie von hier immer weiterginge, würde sie zur Bucht gelangen.
    Magellan wusste, dass sie gegangen war, doch er hatte keine Ahnung, wo sie sich aufhielt. Er konnte es gar nicht wissen. Für ihn war es unvorstellbar, dass sie es ganz allein bis nach San Francisco geschafft hatte. Er hielt sie doch für vollkommen hilflos.
    Gestern hatte sie alles hinter sich gelassen, ihren gesamten Besitz. Ihre Handtasche, ihre Kleider, ihre Bücher, ihre Medikamente. Das Einzige, was sie mitgenommen hatte, als sie nach draußen lief, war das Geld, das auf einer Kommode lag. Und heute verfolgte sie ein Fremder. Er war keiner von Magellans Anzugträgern. Und er war auch kein Handtaschendieb, denn er kannte Álvaro Magellans Namen.
    Carson drehte sich um, und Mr. Cowboy-Boots schenkte ihr ein offenes, freundliches Lächeln. » Jedes Mädchen liebt es, eine Hexe genannt zu werden«, erwiderte sie. » Danke für das Kompliment. Wirklich.« Aus der Nähe sah er noch besser aus, als sie gedacht hatte. » Wer sind Sie?«, wollte sie wissen. » Und warum folgen Sie mir?«
    » Hmmmmm«, sagte er gedehnt, immer noch lächelnd, und Carson war sicher, dass er lügen würde. » Nikodemus.«
    » Kein Nachname?«
    » Nein.«
    Der Schmerz kehrte zurück, pochte und hämmerte, und ihr Haar schien plötzlich elektrisiert zu sein.
    Die Lider halb gesenkt, ließ er seinen Blick prüfend über sie gleiten, vom Kopf bis zu den Zehenspitzen und wieder zurück zu ihrem Gesicht. Sie hatte sich oft genug in der Gesellschaft von Männern befunden, um zu wissen, dass seine Musterung gleichzeitig ein sexuelles Abschätzen war.
    Nikodemus.
    Nikodemus. Wie albern. Sie umklammerte den Griff der schäbigen schwarzen Handtasche, die sie bei Goodwill aus einer Tonne gefischt hatte. Ihre Knie zitterten. Ihr Körper fühlte sich an, als wollte er gleich davonschweben. Dieser Mann sah gut aus, darin hatte sie sich nicht geirrt. Aber er sah nicht so aus wie dieses… Wesen aus Magellans Aufzeichnungen. Seine Augen waren grau mit einem Schimmer von Blau. Seine Jeans schmiegten sich eng an die schmalen Hüften und die Oberschenkel. Den Namen Nikodemus hatte er wahrscheinlich nur benutzt, um ihr zu beweisen, dass er Magellan kannte. Wieder lief ein Schauder über ihren Körper. Dieser Mann war gefährlich, dessen zumindest war sie sich sicher.
    Sie schob sich an ihm vorbei. Ihr Herz klopfte heftig.
    » Wieso gehen Sie? Und wohin?«, sagte er zu ihrem Rücken. » Wissen Sie, das ist ziemlich unhöflich.«
    Sie hatte kaum drei Schritte getan, als er plötzlich wieder vor ihr war. Er lief rückwärts, sodass sie ihn ansehen und jeder ihm ausweichen musste. Das Atmen fiel ihr plötzlich schwer, und sie fühlte sich benommen.
    » Süße«, sagte er und breitete die Arme aus,
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