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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis
Autoren: Marjorie M. Liu
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Doppeltüren und verschwand. Ich trat näher zu Grant hin und beobachtete den Priester. Und bemerkte den Anflug eines kalten, durchdringenden Lächelns.
    »Vater Cooperon.« Die Stimme des Priesters hatte einen beißenden Unterton. »Un pezzo che non ci si vede.«
    Grants Blick veränderte sich nicht. »Nicht lange genug, Antony.«

    Das Lächeln des Priesters erlosch, Schatten sammelten sich in seinen Augen. »Allerdings.«
    Ich lehnte mich an Grant an. »Wir sollten das woanders klären.«
    Er nahm meine Hand in seine, und ich genoss die Hitze seines Körpers, die ich durch meinen Handschuh spürte. Wenn die Jungs schliefen, fühlte ich nichts auf meiner Haut, nicht einmal den Hauch des Windes - oder den Regen. Oder auch die Sonne. Aber Grants Wärme sickerte durch ihre Tätowierungen. Die Jungs mochten ihn.
    Der Blick des Priesters fiel auf unsere verschränkten Hände und blieb dort. Er wirkte nicht besonders glücklich, vielleicht sogar angewidert. Oder eifersüchtig. Zwischen diesen Emotionen bestand meiner Erfahrung nach kein großer Unterschied.
    Grant kehrte dem Priester nicht den Rücken zu. Er trat zur Seite und deutete mit seinem Kinn auf die Türen. Er umklammerte seinen Gehstock so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Der Griff seiner Hand um die meine herum war fest. Ich drückte sie einmal, während ich den Priester im Auge behielt, als er an uns vorbeiglitt. Seine Schultern waren rund und zusammengezogen. Er roch nach Hefe und heißem Bienenwachs.
    Grant machte Anstalten, dem Mann zu folgen, doch ich hielt ihn zurück, stellte mich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm ins Ohr. »Was zum Teufel ist hier los?«
    »Das weiß ich nicht«, erwiderte er leise und zog mich an sich. »Aber das ist doch der Mann, der versucht hat, die Kirche dazu zu bringen, mich töten zu lassen.«

3
    W ir betraten Grants Büro. Im Flur drängten sich Leute, zwischen gerahmten Postern hingen an den Wänden Schwarze Bretter für Mitteilungen: Scharade neben Zeitarbeitsangeboten und Indiana Jones, der in seiner ganzen Jäger-des-Verlorenen-Schatzes- Pracht mit Ankündigungen für Abendschulen und billigen Wohnungen um Aufmerksamkeit rang. Einige der Gesichter, die die Zettel an den Brettern studierten, kannte ich. Die meisten waren Männer, die in unterschiedliche Stufen von Bequemlichkeit und Sauberkeit gekleidet waren. Über keinem von ihnen schwebte der Schatten eines Zombies.
    Sie machten Platz, als Grant vorbeihumpelte. Ich musterte ihre Gesichter, suchte entweder nach Abneigung oder einem Anzeichen von Gefahr, fand jedoch nichts dergleichen. Nur Respekt und ein leichtes Misstrauen. Sowie Anerkennung. Grant bewegte sich selbstsicher zwischen ihnen, murmelte einem etwas zu, berührte einen anderen an der Schulter: Gesten der Nächstenliebe im Vorübergehen … Sie brachten Licht und eine besondere Wachsamkeit in die trüben, müden Augen. Die Melodie seiner Stimme glitt über meine Haut und schien auch die Jungs zu elektrisieren. Der ehemalige Vater Cooperon, der seine Magie wirken ließ.

    Ich ging neben dem Priester. Er hatte keinen Blick für die Leute um ihn herum, sondern achtete nur auf Grant. Und auf mich. Ich lauschte, wie Zee und die anderen sogar in ihren Träumen siedeten und meine Haut erhitzten. Noch fast zehn Stunden bis zum Sonnenuntergang, und sie waren schon richtig scharf darauf, sich von mir abzuschälen.
    »Und Sie sind …?«
    »Annie«, log ich. Den Namen führte ich hier im Obdachlosenheim seit sechs Monaten. Ich liebte den Film Speed , und der Name klang freundlich und harmlos. Und vor allem ganz und gar nicht nach mir.
    Nur ein paar Menschen kannten meinen richtigen Namen. Darunter waren allerdings zwei Cops, die ihn vermutlich in irgendeinen Computer gegeben oder in irgendeiner unschönen Akte notiert hatten. Das war nicht gerade gut für mich, doch hielt ich trotzdem an meinem alten Alias fest. Gewohnheiten waren eben schwer abzulegen.
    »Annie«, wiederholte der Priester. Es klang, als glaube er mir nicht. Ein Muskel in seiner Wange zuckte. »Sie können mich Vater Cribari nennen.«
    Das klang kalt. Ich dachte bei diesem Namen unwillkürlich an Clowns im Zirkus, die mit Messern jonglierten und geschminkte Tränen weinten. Fast hätte ich das auch gesagt. Vielleicht zeigte es sich auch auf meinem Gesicht, ich war eine schlechte Schauspielerin. Jedenfalls sah ich, wie Vater Cribaris Mund amüsiert zuckte und sich seine Augen vor Verachtung verdunkelten. Sie kamen mir viel zu wissend
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