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In deinen Armen

In deinen Armen

Titel: In deinen Armen
Autoren: Christina Dodd
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nicht daran, dass die Ranken seines Willens sich wie Rauchfäden den Korridor entlangzogen und sie zu ihm befahlen.
    Er wollte, dass sie zu ihm kam. Er befahl ihr, zu ihm zu kommen.
    Gegen die Tür gelehnt, rieb sie die Stirn über das kühle Holz.
    Nein, er wollte gar nicht wissen, wie der Tag verlaufen war oder ob sich jemand verdächtig verhalten hatte. Er wollte sie in seinem Bett haben und sie für all die Nächte bestrafen, die sie sich ihm entzogen hatte – und sich ihm weiter entziehen würde.
    Sie wirbelte von der Tür weg, zog ihr schwarzes Kleid aus und schlüpfte in ihr einfachstes weißes Baumwollnachthemd, das vorne am Busen nur eine winzige Stickerei hatte.
    Sie wusste, dass wenn sie heute zu ihm ging, ihm diese eine Nacht nicht reichen würde. Er würde mehr wollen. Er würde ihr Erscheinen als Kapitulation begreifen und glauben, dass er sie für alle Zeit unter seinem Befehl hatte. Sie musste ihm widerstehen … auch wenn sie darunter litt.
    Sie blies die Kerzen aus, schob die schweren Vorhänge auseinander und betrachtete die mondhelle Welt. Ihr Schlafzimmer hatte Blick auf das Meer. Unter ihr fielen die Mauern steil auf die Klippen ab, an deren Fuß die Wellen donnerten und auf den Fels einpeitschten. Der wilde, großartige Ausblick passte zu MacLean und seinem Clan aus Wahnsinnigen und Exzentrikern. Sie drückte die Wange ans Fensterglas und nahm das glatte, tröstende Gefühl in sich auf.
    Sie wollte in MacLeans Bett. Sie sehnte sich nach der Lust, die er ihr bereitete. Ihr Unterleib schmerzte und pulsierte vor Begehren. Sie hungerte mit einer unersättlichen Leidenschaft nach ihm.
    Unter ihr hob und senkte sich die See in uraltem Rhythmus, jede Woge eine Verzückung. Von der anderen Seite des Flurs rief MacLean nach ihr, und seine Lust war ihr ein warmer, feuchter Befehl.
    Morgen würde sie gehen. Egal, was geschah, sie würde morgen gehen. Aber was konnte es schaden … ?
    Aber nein. Sie musste nach England zurück. Wenn sie blieb, würde sie alles verlieren: ihre Würde, ihre Ehre, ihre Selbstachtung.
    Was zählte die Würde, verglichen mit der Lust? Ehre … die hatte sie schon verloren, als sie wissentlich mit einem Mann geschlafen hatte, der nicht ihr Ehemann war. Und Selbstachtung … wie Lady Halifax ihr erläutert hatte, hatte Enid überlebt und sich herausgemacht, wo andere sich der Verzweiflung ergeben hatten. Wenn Enid sich dazu entschloss, die Nacht mit MacLean zu verbringen, brauchte sie deshalb nicht ihre Selbstachtung zu verlieren.
    Sie ließ den Vorhang los und glitt zur Tür.
    Sie war eine Närrin.
    Sie würde diese Chance nie mehr bekommen.
    Sie konnte schwanger werden.
    Sie drehte sich ins Zimmer zurück.
    Aber ihre Monatsblutung war keine zwei Tage her. Sie konnte nicht schwanger werden.
    Ihr Morgenmantel aus dickem, burgunderrotem Samtbrokat lag auf einem Stuhl. Sie griff ihn sich und schlüpfte hinein.
    Sie würde zu ihm gehen.
    Lautlos eilte sie den düsteren, leeren Flur entlang auf ihr Ziel zu. Die Tür hätte verschlossen sein müssen, um den sehr lebendigen MacLean davor zu bewahren, entdeckt zu werden, doch der Türknauf ließ sich drehen.
    Er erwartete sie.
    Sie schob mit sachter Hand die Tür auf, schlüpfte hinein und sperrte ab.
    Vom einzig erhellten Flecken im Raum aus beobachtete sie MacLean. Er lag auf seinem riesigen Bett ausgestreckt, die Hände unter den Kopf gelegt, das Gesicht vom Puder befreit. Die königsblauen Vorhänge waren zugezogen und sperrten die Nacht aus. Die Wandvertäfelung aus Eiche erstickte einen jeden Laut, der nach draußen hätte dringen können. Der riesige tiefblau und rosé gemusterte Teppich verlieh dem Raum eine unirdische Stille, in der Enid nur ihren eigenen gehetzten Atem hörte.
    Das Kerzenlicht hätte sein Gesicht weichzeichnen müssen, doch in Wirklichkeit sah er so herb und zerklüftet aus wie die Klippen unter Enids Fenster. Das weiße, frische Laken unter ihm umriss seine lange Gestalt. Er trug nur einen Kilt, und über seine Brust zogen sich glänzende, von gekräuseltem kastanienbraunem Haar bestäubte Muskeln. Die Kerzen warfen Schatten auf seine vernarbte, gebräunte Haut. In seinen grünen Augen glommen goldene Linien, die in der Tat wie Blitze aussahen.
    Er hatte auf sie gewartet, und ihr langes Zögern hatte ihn frustriert und erbost. Er lag reglos da, und sie begriff, was er vorhatte. Er würde nicht auf sie zukommen. Sie sollte von sich aus zu ihm kommen, ohne dass er sie drängte.
    Seine Haltung verärgerte sie.
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