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In alter Freundschaft - Kriminalroman

In alter Freundschaft - Kriminalroman

Titel: In alter Freundschaft - Kriminalroman
Autoren: Grafit
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erzählen sollte, entschied dann aber, dass sie dafür noch zu jung war. »Heute sagt mir niemand, was ich zu tun und zu lassen habe, das reicht mir.«
    »Und mein Vater? Hat er dir nicht gesagt, dass du mich suchen sollst?«
    »Was ist daran schlecht, die Tochter von jemandem zu suchen? Ich hätte dich ja nicht gezwungen, mitzukommen.«
    Sie schien nachzudenken. »Was haben sie dir über mich erzählt? Dass ich eine verlogene, versoffene, kleine Nutte bin?«
    »Nicht mit diesen Worten, aber sinngemäß.«
    Sie lachte verächtlich. »Meine Oldies. Immer brav und anständig. Was meinst du, wann er zum letzten Mal auf sie draufgeklettert ist? Warte mal, das muss vor siebzehneinhalb Jahren gewesen sein, denn in drei Monaten werde ich siebzehn. Seitdem sehen sie sich nur noch am Küchentisch. Ein Scheißleben ist das. Kein Wunder, dass meine Mutter dauernd Migräne hat.«
    Eine Weile ließ sie sich über das unappetitliche Eheleben ihrer Eltern aus. Hätte ich mir damit nicht meine Prämie vermasselt, wäre ich beinahe geneigt gewesen, sie wieder am Strand auszusetzen.
    Nachdem sie das letzte Reiskorn aufgepickt hatte, gingen wir. Ausgemergelte Heroingestalten huschten an uns vorbei und selbstbewusste Huren führten ihre Hunde spazieren.
    Ich sagte: »Wenn du die Klappe hältst und deinen Eltern nichts davon erzählst, lade ich dich zu einem Joint ein.«
    Sie schüttelte die fettigen schwarzen Locken. »Mann, Bulle, du bist ja voll drauf.«
    Der Kellner zeigte uns seine Kollektion und ich kaufte ein Zehn-Gulden-Piece Libanese. Das Drehen überließ ich Tanja, denn ich war ein bisschen aus der Übung. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass sie ein schönes, leicht orientalisches Gesicht hatte.
    »Können wir nicht hierbleiben?«, fragte sie nach dem dritten Zug. »Du und ich, in einem kleinen gemütlichen Hotelzimmer?« Sie setzte ein Lächeln auf, das sie wohl für besonders verführerisch hielt.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Du bist eben doch nur ein Bulle, bah!« Der Joint flog auf den Tisch und zwei Sekunden später war sie die Wendeltreppe hinuntergesaust.
    »He, Tanja, lass doch den Scheiß!«, rief ich und sauste hinterher. Niemand trat mir in den Weg, obwohl mich vermutlich alle für einen Kinderschänder hielten.
    Ich verfolgte sie ein paar Straßen weit, unter den Blicken der leicht bekleideten asiatischen und holländischen Mädchen, die in rot erleuchteten Fenstern saßen. Dann gab ich auf.

II
     
     
    In derselben Nacht fuhr ich nach Münster zurück. Tanja konnte meinetwegen bleiben, wo sie wollte. Und ihre Eltern sollten sich den Gedanken aus dem Kopf schlagen, dass aus ihr eine brave Tochter zu machen sei. Genau das würde ich dem Ekelpaket von Vater erzählen: ›Warum, glauben Sie, ist Tanja weggelaufen? Weil es in der Kühlkammer des Schlachthauses gemütlicher ist als in Ihrem trauten Heim.‹ Vielleicht würde ich auch gar nichts sagen. Schließlich war das Ganze nicht mein Problem. Jeder hat ein Recht darauf, unglücklich zu sein.
    Der letzte Gedanke kam mir irgendwie bekannt vor. Gab es nicht ein Buch mit diesem Titel? Wenn nicht, war es an der Zeit, dass einer dieser Pseudo-Lebenshelfer mit rudimentären Psychologie-Kenntnissen sich dransetzte, einen Bestseller für demoralisierte Studenten, frustrierte akademische Hausfrauen und midlifekrisengeschüttelte Studienräte zu schreiben: Recht auf Unglücklichsein, Untertitel: Wie gebe ich mir den Rest? Wäre ich nicht ein angesehener Privatdetektiv und ein halbwegs erfolgreicher Ladenbesitzer, ich könnte glatt zum Bestsellerautor werden.
    Bei Enschede wurde das Loch im Auspuff größer und der ohrenbetäubende Lärm verdarb mir ein bisschen die Freude an meinen hochfliegenden Gedanken.
     
    Nach einem ausgedehnten Frühstück besuchte ich am Nachmittag meinen Laden. Willi bevorzugt zwar die Bezeichnung Kaufhaus, aber ich sage das nur, wenn ich mit Kunden und Lieferanten rede. Und das geschieht in letzter Zeit immer seltener, denn Willi hat praktisch die alleinige Leitung übernommen. Genauer gesagt, er ist der von mir eingesetzte Geschäftsführer.
    Das Briefmarken- und Münzgeschäft, das ich seinerzeit zusammen mit meinem Detektivbüro am Roggenmarkt laufen hatte, war in eine Phase der Stagnation gefallen. Und da Stagnation im Geschäftsleben bekanntlich Rückschritt bedeutet, hatten Willi und ich uns zusammengesetzt und überlegt, was zu tun sei. Letztlich war Willi auf die glorreiche Idee mit dem Zweite-Hand-Kaufhaus gekommen. Komplettes Angebot von
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