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Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung

Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung

Titel: Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
Autoren: Martin Hirte
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15. Februar 2000 für die STIKO ein Riesenerfolg: Die STIKO -Impfempfehlungen gelten seitdem als medizinischer Standard, als Norm guter ärztlicher Behandlung. Die empfohlenen Impfungen sind somit ärztliche Routinemaßnahmen, die auch von den Patienten eingeklagt werden können und über die sich der Patient nach Ansicht des BGH keinen Kopf mehr zerbrechen muss, da »das Verhältnis zwischen Nutzen und Schadensrisiko für den Impfling von diesen Gremien bereits abgewogen« ist ( BGH 2000), die eigene Meinung also quasi vor der Praxistür an den Nagel zu hängen ist.
    Prof. W. Müller-Ruchholtz von der Ärztekammer in Schleswig-Holstein kommentiert dieses Urteil kurz und prägnant: »Unterlassung einer STIKO -empfohlenen Impfung bedeutet Nichterfüllung des medizinischen Standards, und zwar in juristisch relevanter Weise« (Müller-Ruchholtz 2001). In diese Tendenz reiht sich auch der Kassler Kinderarzt R. Riedl-Seifert ein, der schreibt:
     
    »Rät der Arzt von einer empfohlenen Impfung ab, beispielsweise weil er generell gegen Schutzimpfungen ist, enthält er dem Patienten den aktuellen medizinischen Standard vor, auf den der Patient Anspruch hat. Erkrankt ein Patient an einer impfpräventablen Infektion, kann er seinen Arzt in Regress nehmen, falls dieser nicht über die Möglichkeit der Schutzimpfung aufgeklärt oder von der Impfung abgeraten hatte« (Riedl-Seifert 2005).
     
    Der Druck auf impfkritische Ärzte geht aber noch weiter: Auf dem 109. Deutschen Ärztetag 2006 wurden Sanktionen mit berufsrechtlichen Schritten gegen solche Ärzte gefordert, »die sich explizit und wiederholt gegen empfohlene Schutzimpfungen … aussprechen«. Hintergrund dafür waren ansteigende Erkrankungszahlen für Masern und stagnierende Impfraten bei Schuleingangsuntersuchungen.
    In einem daraufhin von der GAÄD (Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte Deutschlands) in Auftrag gegebenen Gutachten bestätigt der bereits zitierte namhafte Verfassungsrechtler Prof. Dr. Rüdiger Zuck, dass Ärzte im Rahmen einer Impfberatung nicht gezwungen werden können, gegen ihr Gewissen zu handeln (Zuck 2006). Der Arzt müsse zwar über den medizinischen Standard (das heißt die öffentlichen Impfempfehlungen) informieren, aber
     
    »da der Arzt wegen der durch Art. 12 I GG gewährleisteten Therapiefreiheit nicht gezwungen werden kann, gegen sein Gewissen zu handeln, darf er ernsthafte Einwände gegen den medizinischen Standard äußern und den Patienten darüber informieren, auch aus der besonderen Sicht der von ihm vertretenen besonderen Therapierichtung. Er trägt aber auch hier die Beweislast dafür, dass solche ernsthaften Einwände über seine persönliche Überzeugung hinaus gegeben sind.«
     
    Wegen des in der Verfassung garantierten Grundsatzes der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 II GG ) dürften Ärzte nicht daran gehindert werden, ihre Meinung und Kritik im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion zu äußern, selbst wenn diese Äußerungen »explizit und wiederholt« gegen STIKO -Empfehlungen gerichtet sind. Die Verhängung eines Maulkorbs gegen Ärzte »unabhängig von der Art und Qualität ihrer Kritik« komme nicht in Betracht, es sei denn, bei den öffentlichen Empfehlungen handle es sich »um Verlautbarungen vergleichbarer Weise, wie wenn der Papst ›ex cathedra‹ gesprochen hätte«. Zuck kommt abschließend zu der Bewertung, dass geltende Bestimmungen völlig ausreichen, die ärztliche Sorgfaltspflicht und Verpflichtung zur Qualität abzusichern.
    Lesenswert ist in diesem Zusammenhang die Replik des Allgemeinarztes Peter Frommherz auf den oben zitierten Prof. Müller-Ruchholtz:
     
    »Mein Anliegen ist es, klarzustellen, dass die Entscheidung und letztendliche Verantwortung für die Impfung beim Patienten selbst liegt. Ich denke, dass es meine ärztliche Pflicht ist, die freie Entscheidung des Patienten zu respektieren, auch wenn sie medizinischen Standards widersprechen sollte. In der heutigen Medizin sind leider gegenläufige Tendenzen wahrnehmbar … Ob wir uns diesen totalitären Praktiken unseres medizinischen Wissenschafts- und Geschäftsbetriebes anschließen wollen, möge jeder für sich entscheiden. Hinzuzufügen ist lediglich noch, dass jeder medizinische Standard auf dem Konsens von bestimmten Entscheidungsträgern beruht, die sich jedoch oft nicht in allen Gesichtspunkten einig sind, d.h., der medizinische Standard ist meistens ein Kompromiss. Ferner gibt es auch neue Gesichtspunkte, wie sich zum
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