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Im Zeichen des Adlers

Im Zeichen des Adlers

Titel: Im Zeichen des Adlers
Autoren: Vampira VA
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berichten, wie ich in der gestrigen Nacht entkam. Der unheimliche Knabe hat mich gerettet! Ich weiß weder, wie er es bewerkstelligt hat, noch weshalb er es tat - aber er trug mich fort, als sei er ein Engel mit unsichtbaren Flügeln, und ließ mich dann allein. »Wie könnte ich einen von deiner Art töten?« sagte er noch, ehe er verschwand. Seltsam, und vielleicht werde ich nie verstehen, was er meinte ...
    Nun komme ich zum Ende, meine liebe Maman, und es werden dies meine letzten Worte an dich sein. Denn wie ich dir zu früherer Zeit schon berichtete, hörte ich auf meinen Reisen um die Welt von einem hochbesonderen Mann, der es versteht, Wesen meiner Art zu helfen. Inzwischen durfte ich ihn kennenlernen und erfahren, daß jedes Wort, daß die unseren sich über ihn erzählen, wahr ist: Er kann uns anleiten, dem Bösen zu entsagen!
    Nun also kehre ich zu ihm zurück - auf daß ich nur noch Mensch und nie mehr Bestie sei. In Liebe ewig, dein Philemon 30. Januar 1998 Philemon de Lamaze faltete das Blatt Papier zurecht, steckte es dann in einen Umschlag, und den wiederum legte er auf den Stapel weiterer Kuverts; samt und sonders Briefe an seine Mutter, die er nie ab -geschickt hatte - das Tagebuch seines Lebens.
    Er erhob sich von dem kalten Stein, auf dem sitzend er im Licht einer Taschenlampe den Brief geschrieben hatte. Unter Aufwendung aller Kraft gelang es ihm, die Grabplatte anzuheben und einen Spalt zur Seite zu schieben. Dann warf er die Briefe allesamt in das gemauerte Geviert darunter, lauschte dem Rascheln, mit dem sie den wohl schon zerfallenen Sarg seiner Mutter berührten.
    Er zögerte kurz, doch dann nahm er den Rosenstrauß seines Vaters auf und ließ ihn ebenfalls hinab ins Grab fallen. Schließlich rückte er die Granitplatte wieder zurecht, und dann ging er. Ein weiter Weg lag vor ihm. Nach China, in die Mandschurei. Zurück zu Chiyoda.
    ENDE

Seelensauger
    Leserstory von Valentin Olbrich
    Ich befinde mich mitten im Herzen Londons auf dem Trafalgar Square. Zahlreiche Menschen sitzen wie ich auf dem Rand eines der beiden riesigen Springbrunnen, in deren Wasser fröhlich johlende Kinder planschen.
    Der Platz schäumt über vor Leben. Unzählige Tauben lassen sich bereitwillig gurrend von den Menschen füttern. Hin und wieder stößt ein ganzer Schwarm der blaugrauen Vögel in die Höhe, wenn einige Inline-Skater und Rollschuhläufer ihre waghalsigen Kunststücke vollführen. Dann flattern die Tauben hinein in den wolkenlos blauen Himmel und lassen sich auf der turmhohen Denkmalssäule nieder, wo eine Statue Lord Nelsons steht und die Whitehall Street hinunterblickt, an deren Ende Big Ben und die Houses of Parliament eindrucksvoll emporragen.
    Personen unterschiedlichster Rassen und Altersstufen - Inderinnen im schweren Sari, Japaner mit Stadtführern in der Hand und küssende Teenagerpärchen in zerrissenen Jeans - halten ihre Gesichter entspannt in die warme Augustsonne.
    Und nur wenige Meter von mir entfernt geht eine junge Frau lächelnd in den Tod.
    Aufrecht sitzt sie auf dem kleinen Hocker und sieht ihren Mörder an, der mit mörderischer Akribie ihre ebenmäßigen Gesichtszüge mit einem Kohlestift auf seinen Zeichenblock bannt. Bisher beinhaltet diese nur die Augen und die Wangen, aber mit jedem neuen Strich verliert die etwa 25jährige Frau an Lebenskraft.
    Innerlich zitternd schweift mein Blick hinüber zu dem Monstrum, das ich erst vor einigen Minuten erkannte. Ungestört hält es sein ab-scheuliches Mahl. Es grinst ohne Lippen. Scharlachrot klafft dabei ein zahnloser Mund wie eine offene, feuchte Wunde. Eine graue Zunge schnellt hektisch vor und wieder zurück, als wäre sie ein am heißen Seeufer zappelnder Fisch. In den hellweißen Augen, die sich wie Maden in den Höhlen winden, leuchtet brutale Lebensgier.
    Dieses Ding sieht aus wie ein menschlich geformtes rohes Stück Fleisch. Wie ein Stück Fleisch aus einer Metzgerei, deren Kühlanlage seit Wochen defekt ist.
    Tränen unbändiger Wut und Verzweiflung beginnen meinen Blick zu verschleiern, als ich den Weg des Zeichenstiftes verfolge, der in den Krallen des Wesens sein unblutiges, aber tödliches Werk verrichtet. Und niemand greift ein. Denn niemand außer mir sieht das Grauen hinter der attraktiven Maske des Straßenmalers.
    Seht doch hin, ihr blinden Narren! Er tötet sie! Helft doch!
    Für Sekunden schließe ich die Augen und lausche meinen eigenen lautlosen Schreien. Doch auch nach endlosen Augenblicken hat sich die Szenerie um
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