Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs
Autoren: Mark Frost
Vom Netzwerk:
innigste Hoffnung! Der Himmel soll Euch segnen!«
    Sie drapierte sich über König Knallkopf und schnupperte versuchshalber: Gut, zumindest hatte er nicht wieder grüne Zwiebeln gefressen, während er draußen im Turm von Zenda gewartet hatte. Dann der große Kuß – der Bengel hatte ihr die Zunge nicht noch einmal in den Schlund gebohrt, nachdem sie ihm in Cleveland das Knie zwischen die Beine gerammt hatte – und Bendigos überaus anrührende Kehrtwendung nach hinten, bei der er seine Augen bedeckte, um sie vor diesem undelikaten Schauspiel zu schützen und nicht mitansehen zu müssen, wie die Frau, die er liebte, zu dem König zurückkehrte, dem er das Leben gerettet hatte, während der letzte Vorhang fiel und der erwartungsgemäße Applaus losbrach.
    Amerikanische Zuschauer waren so lächerlich leicht zu erfreuen.
    »Eileen, Darling, in unserer letzten gemeinsamen Szene, wenn ich dir meine, äh, unsterbliche Liebe erkläre – glaubst du, du könntest mit deinem Text über meinen Ring, und daß du ihn immer am Finger trägst, nur ein winziges bißchen, äh, schneller herauskommen?«
    Bendigo Rymer starrte in den Spiegel; er war gerade dabei, die glänzende Fettschminke von seinem Gesicht zu entfernen. Hypnotisiert wie die Schlange vor dem Flötenspieler.
    Was um alles in der Welt glaubt er da zu sehen? fragte sich Eileen. Die Bühne mit dem Mann zu teilen, war Strafe genug; dieselbe Garderobe zu benutzen, wie es in manchen dieser ländlichen Vorposten die Not gebot, kam ihr vor wie ein Gefängnisurteil.
    »Bendigo, Darling, der Grund für Flavias Zögern hat etwas damit zu tun, daß sie hin und her gerissen ist zwischen ihrer Verpflichtung gegen ihr königliches Scheißerchen und der unbeschreiblichen Leidenschaft, die sie für ihren lieben Rudolfo empfindet. Wenn sie zu schnell antwortet, deutet das, fürchte ich, an, daß du nicht annähernd die gleiche gefährliche Macht über ihre Gefühle hast.«
    Sie wartete, bis die Zahnräder seines Verstandes den Gedanken erfaßt hatten; hörte fast das Knirschen. »So habe ich es jedenfalls immer interpretiert«, fügte sie bescheiden hinzu.
    »Wenn man es so spielt …«, sagte er und strich sich übers Kinn; wie jede seiner Posen, die mit Nachdenken zu tun hatte, wirkte es sehr bemüht. »Dann ist sie ziemlich nützlich für uns, diese Pause, nicht wahr?«
    »Wenn Flavia dich verzweifelt liebt, wäre es wahrscheinlich am besten, wenn man die Zuschauer in dieses Geheimnis einweiht.«
    »Wie recht du hast!« brüllte er und sprang auf. »Gott segne dich, meine Liebe! Ich wußte immer, daß du ein echter Schatz für meine Kompanie bist!«
    Bendigo legte den Kopf in den Nacken und besprühte seine Mundhöhle mit einer Flut von McGarrigle’s Rachentröster, den er in einem Flacon auf seinem Tisch aufbewahrte.
    O Gott, das bedeutet, daß er mich küssen will.
    Rymers Atem machte für gewöhnlich den Eindruck, er habe soeben eine einbalsamierte Katze gefressen; das McGarrigle-Zeug vermochte dabei allenfalls den Anschein zu erwecken, als sei die Katze in einem billigen Eau de Cologne mariniert gewesen.
    Rymer überschattete sie. Eileen bot ihm geschickt und nicht ohne Anmut den Scheitel dar; Fettschminke verschmierte ihr Haar, als seine Lippen dort abprallten. Im nächsten Moment stolzierte Bendigo wieder im Zimmer auf und ab; er fuhr sich mit den Händen durch die langen, gefärbten Locken und bot den Anblick eines Mannes in den Klauen rasender Inspiration.
    Ich lebe in einem Alptraum, dachte Eileen Temple nicht zum ersten Mal. Nicht einmal an diesem Abend war es das erste Mal. Als sie sich vor zehn Jahren, beschwingt von Hoffnung und jugendlichem Ehrgeiz, nach Amerika eingeschifft hatte, wer hätte da gedacht, daß ihr Stern so tief hinter den sichtbaren Horizont sinken könnte?
    Bendigo Rymer’s Ultimatives Tournee-Theater (sie hatte nie gewagt, ihn zu fragen, ob er wisse, was ›ultimativ‹ tatsächlich bedeute, aber sie bezweifelte es). Das frühere Matinee-Idol Bendigo Rymer – in Wahrheit Oscar Krantz aus Scranton, Pennsylvania; sie hatte im Tresor der Kompanie einmal seine Geburtsurkunde gesehen – ging auf die Fünfzig zu, wenn er die nicht schon hinter sich gelassen hatte.
    Hätte ich bloß das eine Mal in Cincinnati nicht mit ihm geschlafen, dachte Eileen: ein Augenblick der Schwäche zu Beginn ihrer Tournee. Sie hatte zu tief in den vino blanco geschaut, und der arme Kerl vermochte immer noch halbwegs gut auszusehen – auf seiner Schokoladenseite
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher