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Im wilden Meer der Leidenschaft

Im wilden Meer der Leidenschaft

Titel: Im wilden Meer der Leidenschaft
Autoren: AMANDA MCCABE
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lächelte sie an. „Ich müsste nicht mehr Balthazar Grattiano sein?“
    „Und nicht mehr in Venedig leben.“
    „Das hört sich in der Tat wie eine Traumwelt an.“
    „Natürlich. Aber steht sie nicht in deinen Büchern beschrieben? Andere haben sie schon entdeckt und darüber berichtet. Warum könnten wir das nicht auch?“ Bianca fühlte, wie sie sich immer mehr für diese Idee begeisterte, die sich wie eine seidene Fahne im Wind entfaltete. Sie dachte an die neue, unbekannte Welt und spürte plötzlich keine Angst mehr bei dem Gedanken, der venezianischen Gesellschaft und ihren strengen Regeln zu entkommen, obwohl sie wusste, dass dies eigentlich unmöglich war.
    Balthazar legte ihr behutsam eine Hand auf die Wange und sah sie mit einem wehmütigen Lächeln an. „Du bist also doch eine Träumerin, kleine praktische Bianca.“
    „Du nicht auch?“, sagte sie und lehnte sich näher an seinen warmen Körper. Wie sie es liebte, wenn er ihren Namen aussprach – meine Bianca . „Wenn du nicht träumen und etwas riskieren willst, wieso liest du dann alle diese Bücher? Warum lernst du alles über Schiffe und Meere? Wenn du wirklich glaubst, aus deinem Leben hier gibt es kein Entkommen und keine Möglichkeit auf Veränderung, wieso interessierst du dich dann überhaupt dafür? Warum trittst du nicht einfach in die Fußstapfen deines Vaters?“
    Sein Gesicht verdunkelte sich, und er löste sich von ihr. „Ich bin nicht wie mein Vater.“
    Das wusste Bianca bereits. Balthazar besaß nicht die hochmütige Art seines Vaters gegenüber Untergebenen und auch nicht sein naturgegebenes, arrogantes Selbstvertrauen. Sie sah, wie Balthazar gegen all das ankämpfte, wofür der Name der Grattianos stand, auch wenn er seinen inneren Zwiespalt nie offen zugeben würde. Doch bevor sie den Mund öffnen konnte, um ihm dies zu sagen, um ihm zu versichern, dass sie ihn verstehe, wurde heftig die Haustür aufgerissen.
    Balthazar und sie sprangen auseinander, als Ermano herausgestürmt kam. Bianca zog sich schnell und unauffällig zurück, da sie Angst hatte, er könne sie entdecken und seine eiskalten, blassgrünen Augen auf sie richten. So sehr Balthazar auf sie wie das wärmende Sonnenlicht wirkte, so umwehte seinen Vater die Eiseskälte des tiefsten Winters. Eine todbringende Kälte.
    Sie zog sich ihre Haube übers Haar und sah Ermano wachsam an. Sein bärtiges Gesicht war weiß vor Wut wie nach jeder Sitzung bei ihrer Mutter. Die Glücksgötter waren ihm auch diesmal nicht hold gewesen. Er blickte die Gasse auf und ab und forderte Balthazar mit einem Handzeichen auf, ihm zu folgen, ohne ihn dabei eines Blickes zu würdigen.
    „Komm, Balthazar“, sagte er ausdruckslos, „lass uns den Gestank dieses schmutzigen Ortes hinter uns lassen. Ich kann diese Verdorbenheit nicht mehr ertragen.“
    Als er sich umdrehte, um zum Kanal und zur wartenden Gondel zu marschieren, schwang sein hermelingefütterter Umhang zurück und enthüllte sein weißes Brokat-Wams. Bianca entfuhr ein Schrei, den sie mit vorgehaltener Hand zu unterdrücken versuchte.
    Einer der eleganten Ärmel war mit purpurrotem Blut befleckt.
    Auch Balthazar wurde leichenblass. Weiß und erstarrt wie eine leblose Marmorstatue stand er da.
    „Balthazar“, rief sein Vater herrisch, „komm, ich habe keine Zeit, dir den ganzen Tag beim Tändeln mit der Magd zuzusehen. Ich muss noch eine Besorgung bei Signora Bassano erledigen.“
    Balthazar erwachte aus seiner Erstarrung. Er zog sich einen seiner Ringe vom Finger, einen riesigen, von Perlen umgebenen Rubin. Ihn drückte er zusammen mit einem kleinen Beutel voller Münzen in Biancas eiskalte Hand.
    „Nur für den Fall, dass du es brauchst“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Vergiss die neue Welt nicht, Bianca.“
    Dann ging auch er, und sie stand allein im Schatten des Hauses. Sie starrte auf den Ring, dessen tiefroter Stein sie an das verräterische Blut an Ermanos Ärmel erinnerte. Es herrschte eine schwere, betäubende Stille, die fast greifbar schien. Sie fühlte sich wie das einzige Lebewesen weit und breit.
    Sicherlich hatte das Blut nichts Schlimmes zu bedeuten, und ihre Fantasie ging mit ihr durch. Sicherlich ließ es sich durch eins der bizarren Rituale erklären, in dem es um Hühnerherzen oder Ziegeninnereien ging und über die sie schon heimlich in den verbotenen Büchern ihrer Mutter gelesen hatte.
    Doch die hinter vorgehaltener Hand erzählten Geschichten über Ermano Grattiano und seine kalte Unbarmherzigkeit
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