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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens
Autoren: Courtney Milan
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keiner der Besucher sie auch nur eines Blickes würdigte.
    „Jenny“, erklärte Ned gedehnt. „Versuchst du, mir etwas zu verschweigen?“
    Das Lächeln in Lady Blakelys Gesicht gefror.
    „Ich denke, wenn ich etwas im Laufe der letzten Jahre verdient habe, so ist es das Recht auf Wahrheit. Ich habe zur Genüge bewiesen, dass ich nützlich bin.“
    „Ned, so habe ich das nicht gemeint. Ich dachte nur …“
    Abwehrend hob er die Hand. „Nun, dann hör einfach auf, zu denken.“ Er sprach im Plauderton, aber etwas in seinem Blick veranlasste Lady Blakely, nur stumm zu nicken.
    Dieser Stich der Eifersucht ist völlig lächerlich, schalt Kate sich im Stillen. Nicht, dass sie den Verdacht hegte, zwischen den beiden könne mehr sein als eine langjährige Freundschaft. Lady Blakely liebte ihren Ehemann von ganzem Herzen. Dennoch,dieser Blickwechsel verriet eine Vertrautheit, eine tiefe Beziehung, die Kate mit Ned fehlte. Ihr waren lediglich einige gemeinsam verbrachte Stunden beim Frühstück und noch weniger Nächte mit ihm vergönnt gewesen, Nächte, die mehr mit banger Erwartung als mit Leidenschaft zu tun gehabt hatten. Ihr waren drei Monate vergönnt, um Hoffnungen aufkeimen zu lassen, und drei Jahre, um sie im Nichts schwinden zu sehen.
    „Wenn jemandem das Recht auf Wahrheit zusteht“, meldete sich Kate mit einer gewissen Schärfe zu Wort, „so bin ich das. Louisa ist eine meiner besten Freundinnen. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich nach ihrer schweren Entbindung vor drei Wochen wieder erholt hat. Ist ihr etwas zugestoßen?“ Kates Besorgnis um ihre Freundin war keineswegs gespielt. „Es geht ihr doch hoffentlich gut, nicht wahr? Oder seid ihr gekommen, um mich an ihr Krankenbett zu rufen?“
    Während ihrer Rede bedachte Harcroft sie mit kaltem Blick. Doch so sehr sie auch innerlich bebte, ließ sie sich nicht mehr als Besorgnis um die Freundin anmerken.
    Lady Blakely, die jedenfalls keinen Verdacht schöpfte, seufzte. „Es fällt mir nicht leicht, all das zu erklären. Louisa ist fortgegangen.“
    „Fortgegangen?“, fragte Ned fassungslos und zog die Schultern hoch.
    „Heißt das, sie ist von uns gegangen?“, schloss Kate sich in gespielter Bestürzung seiner Frage an.
    „Um Himmels willen, nein“, korrigierte Lady Blakely sich erschrocken. „Sie ist verschwunden. Gestern um die Mittagsstunde wurde sie zum letzten Mal gesehen, und wir versuchen verzweifelt, sie zu finden.“
    „Wurde sie von Banditen entführt?“, fragte Kate. „Habt ihr schon so etwas wie eine Lösegeldforderung erhalten?“
    Ned wandte sich an Harcroft. „Hör mal, du hast dir doch in Oxford gern einen Spaß daraus gemacht, jedes verschwundene Buch in der Bodleian Library zu finden. Wie konntest duso leichtfertig sein, deine eigene Frau zu verlieren?“
    Harcroft ruderte ratlos mit den Armen durch die Luft. Das perfekte Bild eines verzweifelten Ehemannes, dachte Kate bitter. „Du weißt“, sagte er leise, „wie anfällig ihre Gesundheit ist. Wie schwierig es für sie war … ähm … zu empfangen. Nun ja, nachdem sie endlich guter Hoffnung war … Der Arzt meinte, manchen Frauen bekomme die Schwangerschaft nicht gut. Soll etwas zu tun haben mit zu großer Aufregung für das empfindsame weibliche Gemüt. Danach war sie jedenfalls nicht mehr sie selbst. Die weibliche Seele ist ohnehin zart. Während der Schwangerschaft veränderte sie sich völlig, war ständig gereizt und erregt und neigte zu hysterischen Anfällen.“
    In einer Geste der Hilflosigkeit hob Harcroft die Schultern, und Kate verzog die Mundwinkel. Denn hilflos war dieser Mann keineswegs. Kate juckte es in den Fingern, in ihrer erregten Gereiztheit die neben ihr stehende Petroleumlampe mit ihren zarten weiblichen Händen zu packen und sie diesem Mistkerl in einem hysterischen Anfall an den Kopf zu werfen.
    So sehr ihr diese Tat auch Genugtuung verschafft hätte, Louisa wäre damit nicht gedient gewesen.
    „Und nein“, fuhr Harcroft an Kate gewandt fort. „Wir haben keine Lösegeldforderung erhalten. Wer immer sie entführt hat …“, seine Stimme nahm einen lamentierenden Tonfall an; er neigte den Kopf und blickte Kate direkt in die Augen, „… wer immer es auch gewesen sein mag, packte einen Koffer für Louisa und das Kind. Man hat mir meinen Sohn weggenommen, ohne dass der Kleine auch nur einen Schrei von sich gegeben hätte, um die Amme zu alarmieren.“
    „Oh Gott, wie schrecklich“, entfuhr es Kate, die Harcroft mit dem Ausdruck tiefsten
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