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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens
Autoren: Courtney Milan
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Ihrer eigenen Aussage vor wenigen Minuten stellen Sie eine Gefahr für Leib und Leben der Menschen Ihrer Umgebung dar. Eine Gefahr, über die Sie nach eigenen Angaben keine Kontrolle haben.“
    „Aber …“
    Der untersetzte Herr mit der Brille beugte sich vor. „Ich fürchte, es bestehen auch Anzeichen von Wahnvorstellungen. Eine mutmaßliche Ursache unkontrollierbarer Tobsuchtsanfälle. Dieses Gerede von Drachen.“
    „Aber Sie irren sich. Ich habe mein Studium in Oxford mit Auszeichnung abgeschlossen …“
    „Derlei Wahnvorstellungen sind häufig bei überdurchschnittlich intelligenten Patienten anzutreffen. Ein weiterer Hinweis auf eine geistige Verwirrung wäre auch die Erklärung, warum Sie diesen absurden Prozess gegen die Freundin Ihrer Gemahlin führten, nur weil Sie vergaßen, dass Lady Harcrofteine Auslandsreise unternahm. Haben Sie das tatsächlich vergessen, Lord Harcroft, oder liegt eventuell eine anderweitige, gravierendere Wahnvorstellung vor?“
    „Aber …“
    „Ich garantiere Ihnen einen fairen Prozess“, meldete sich nun der Lordkanzler wieder zu Wort. „Die Beweislage gegen Sie wird von sachkundigen Geschworenen aus dem Oberhaus geprüft. Wir handeln nach bestem Wissen und Gewissen. Und wenn Sie für unzurechnungsfähig erklärt werden, ernennen wir einen vertrauenswürdigen Vormund für Sie, der Ihr Vermögen verwaltet.“
    „Einen Vormund? Soll das ein Witz sein? Sie beabsichtigen, einem Fremden die Kontrolle über mich und mein Vermögen zu übertragen? Zweifellos haben Sie vor, Carhart alle Verantwortung für mein Leben zu geben. Diese schmutzige Angelegenheit ist eine niederträchtige Verschwörung von Anfang an, ein hinterhältiger Versuch, mich zu ruinieren …“
    „Nein.“ Obwohl das Wort nicht laut gesprochen wurde, horchten alle Anwesenden auf. Louisa trat hinter dem Wandschirm hervor, in aufrechter Haltung und mit gelassener Miene. „Ich dachte vielmehr daran, das Hohe Gericht betraut mich mit dieser Aufgabe.“ Unverwandt sah sie ihn an, ohne eine Regung zu zeigen. Und Harcroft blieb der Mund offen stehen, seine Gesichtszüge entgleisten ihm. Zweifellos gingen ihm all die Gemeinheiten durch den Kopf, die er mit ihr vorgehabt hatte.
    Ein Ehemann hatte jedes Recht über seine Ehefrau, konnte über sie verfügen, wie es ihm beliebte. Allerdings galt das nicht für einen Ehemann, der per Gesetz für unzurechnungsfähig erklärt wurde. In diesem Fall hatte er jedes Recht verwirkt. Und sein Vormund … nun ja.
    Harcroft kauerte sich auf die Fersen, kniff die Augen zusammen und schlug die Hände vors Gesicht. Er war vernichtet. Er hatte alles verloren.
    Nach allem, was Harcroft verbrochen hatte, konnte er keinMitleid erwarten. Und dennoch empfand Kate Mitleid für ihn, vielleicht auch nur, weil er auf dem Boden kauerte wie ein bedauernswertes Häufchen Elend. Schließlich erhob er sich steifbeinig.
    Mit einer fahrigen Handbewegung strich er sich über den Gehrock und wandte sich an seine Frau. Einen Augenblick war er wieder der alte Harcroft, den alle Welt kannte. Hochgewachsen, gut aussehend, ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle, der niemandem Böses wollte. Ein Mann mit einem ausgezeichneten Hochschulabschluss, ein brillanter Fechter und Reiter.
    „Louisa“, erklärte er im Brustton der Überzeugung. „Du weißt, dass ich dich immer geliebt habe. Gewiss willst du mir das nicht antun.“
    „Mir liegt nur dein Wohl am Herzen“, antwortete sie seelenruhig. „Wie ich höre, gibt es ausgezeichnete Sanatorien in der Schweiz.“
    Harcroft senkte den Kopf, als habe sie den letzten Segen über seinem Grab gesprochen. Und dann hob er sehr langsam das Kinn.
    „Mylord“, sagte der Arzt, „wir müssen Sie bis zur Anhörung in Gewahrsam nehmen.“
    Harcroft nickte knapp und verließ gemessenen Schrittes den Saal.
    Kate raffte sich auf die Knie, Ned nahm ihre Hand. Sie wusste nicht, ob er ihr auf die Füße half, oder sie ihm mit seinem gebrochenen Bein.
    Aber vielleicht war das auch nicht mehr wichtig.
    „Da wären wir“, verkündete Ned ziemlich munter. „Wir sind am Ziel.“
    „Na endlich“, sagte Kate, der während der langen Kutschfahrt schwindelig geworden war. „Aber wo sind wir? Du hast dem Kutscher den Weg gewiesen, aber mich gezwungen, dieses lästige Ding vor den Augen zu tragen.“
    „Das nennt man eine Augenbinde“, erklärte er, was sie auch nicht weiterbrachte. „Komm, ich helfe dir beim Aussteigen.“ Sie streckte blind die Arme aus.
    Er nahm sie bei
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