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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition)
Autoren: Kate Rhodes
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der Polizei gesperrt.«
    »Ich wollte mir nur mal den Friedhof ansehen.«
    »Da gibt es nichts zu sehen.« Ihr Gesicht war starr vor Missbilligung und Kälte, und sie scheuchte mich mit beiden Händen fort, als wäre ich ein streunender Vierbeiner. »Los, gehen Sie weg.«
    Es war eine Erleichterung für mich, den Morgen mit den Sorgen anderer zu verbringen, ohne Zeit für irgendetwas anderes als Überweisungen, Behandlungen und Therapien. Als um eins das Telefon auf meinem Schreibtisch schrillte, wollte ich gerade ein Sandwich essen. Es war DCI Burns, dessen Stimme eine Mischung aus zu vielen Zigaretten, Bermondsey und den schottischen Lowlands war.
    »Zu viele Zufälle«, murmelte er. »Sie haben gesagt, dass von Morris Cley keine Gefahr ausgeht, aber he, diese Sache ist passiert, kaum dass er eine Minute draußen war.«
    Ich dachte an Cleys Gesichtsausdruck während unseres Gesprächs. Er hatte ausgesehen wie ein Kind, das versuchte, die Mysterien der Welt, in der die Erwachsenen lebten, zu verstehen. »Er war es auf keinen Fall.«
    »Ausschließen können wir ihn nicht«, seufzte mir Burns ins Ohr. »Das Mädchen, das er ermordet hat, lebte nur einen Steinwurf vom Redcross Way entfernt. Es ist also sein Territorium.«
    »Haben Sie ihn schon vernommen?«
    »Er ist wie vom Erdboden verschluckt.« Der Inspektor legte eine lange Pause ein. »Was ich Sie fragen wollte, Dr. Quentin …«
    »Alice.«
    »Ich würde Ihre Hilfe sehr zu schätzen wissen.«
    »Und was soll ich für Sie tun?«
    »Der Fall hat eindeutig irgendwas mit den Southwark-Morden zu tun. Sie weist Rays und Maries Handschrift auf.«
    »Aber die Bensons sitzen im Gefängnis, oder nicht?«
    »Ray starb letztes Jahr in Broadmoor, aber Marie sitzt immer noch in Rampton ein.«
    »Könnte es ein Trittbrettfahrer sein?«
    »Noch schlimmer. Der Täter kennt Einzelheiten, über die die Presse nie etwas berichtet hat.«
    »Und was kann ich da tun?«
    »Cley muss irgendwie daran beteiligt sein. Er muss mit jemandem zusammenarbeiten. Und wer auch immer dieser Jemand ist, weiß, was er macht. Er hat seine Hausaufgaben gut gemacht und wird sein Wissen noch einmal anwenden wollen.«
    »Ich kann Ihnen nicht helfen, Inspektor. Ich bin keine forensische Psychologin. Es ist nicht mein Job, herauszufinden, warum Menschen tot sind. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass keiner meiner Patienten stirbt.«
    »Darum brauche ich Sie, Alice. Ich will, dass Sie sich die Leiche dieses Mädchens ansehen und mir sagen, was Sie denken.«
    »Und was soll das bringen?«
    »Vielleicht fällt Ihnen ja was auf. Irgendwas, was bisher übersehen worden ist.«
    Bis zum Ende des Gesprächs hatte er mich kleingekriegt. Immer wieder dachte ich an die Hand des toten Mädchens auf dem Bürgersteig. Sie hatte sie nach mir ausgestreckt, als ob ich ihre letzte Hoffnung wäre, und auch wenn ich das Gefühl hatte, als ob jemand ein Messer zwischen meine Schulterblätter rammen würde, hatte Burns mich vielleicht deswegen dazu gebracht, sie mir noch einmal anzusehen.
    Ich verließ das Krankenhaus um kurz nach sieben, fuhr auf meinem Rad in Richtung London Bridge und kettete es an einen Laternenpfahl neben der Kathedrale von Southwark. Dann blieb ich kurz stehen, um das Gebäude zu bewundern. Es war vor ein paar Jahren, als noch öffentliches Geld für die Verschönerung historischer Gebäude vorhanden gewesen war, restauriert worden und erstrahlte jetzt wieder in seiner alten Pracht. Wenn ich gläubig gewesen wäre, hätte ich drinnen ein kurzes Gebet für das Crossbones-Mädchen und für Will gesprochen, aber wenn ich meine Augen schloss, passierte nie etwas. Der Marktplatz war verlassen, doch der Boden war mit runzligem Gemüse und zermatschten Früchten übersät, die die Händler beim Abbau ihrer Stände einfach liegen gelassen hatten.
    Seans Wohnung lag über einem Laden am Winchester Walk. In seinem Wohnzimmer duftete es immer nach dem Kaffee und den Gewürzen, die es im Erdgeschoss zu kaufen gab. Während er mir was zu trinken holte, blickte ich mich um. Sein Apartment war das Gegenteil von meinem: Die Regale waren vollgestopft mit Büchern und CDs, in eine Ecke war ein Klavier gequetscht, und auf dem Couchtisch lagen dicke Stapel Jazz-Zeitschriften und Zeitungen herum. Aus irgendeinem Grund erzählte ich ihm alles, als er mir ein Glas Rotwein brachte, vom Auffinden des toten Mädchens bis hin zu der Begegnung mit dem sicher arrogantesten Polizisten der Welt.
    »Bleib hier«, bot Sean mir
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