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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition)
Autoren: Kate Rhodes
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junge Dame, und gehören ins Bett.« Ich ersparte mir die Mühe, ihr zu antworten, und stolperte an ihr vorbei, doch ihre schrille Stimme folgte mir bis in den Flur. »Sie können sich nicht einfach selbst entlassen, Sie stehen unter Beobachtung.«
    Zur Abwechslung war es einmal eine Erleichterung für mich, als ich den Lift bestieg. Weil die Furie hinter den dicken Türen nicht mehr zu hören war.
    In der Eingangshalle herrschte ein unglaubliches Gedränge, und aus irgendeinem Grund fühlte ich mich völlig schwerelos. Meine Glieder waren federleicht und nicht zu kontrollieren, als watete ich durch einen Swimmingpool. Auf dem Great Maze Pond bemerkte ich, dass ich ohne einen Penny losgegangen war. Meine Handtasche lag sicher noch im Haus von Alvarez.
    In der kalten Winterluft verließen mich die letzten Kräfte, und ich ließ mich auf den Bordstein sinken und legte den Kopf auf meine Knie, damit ich nicht in Ohnmacht fiel.
    Als ich meine Augen wieder aufschlug, hielt ein Taxi neben mir, in dessen dunklen Scheiben ich das Bild von einem Schmuddelkind in einem schmutzstarrenden Kleid und mit unzähligen Schürfwunden auf Stirn und Wangen sah. Ich wirkte wie die junge Frau auf einem Plakat gegen häusliche Gewalt.
    »Alles in Ordnung, meine Liebe?«, fragte der Chauffeur.
    »Nein«, fuhr ich ihn an, da mein Nacken schlimmer stach als je zuvor.
    Ich gab zu, dass ich ganz ohne Geld dort auf der Straße saß, aber er packte mich vollkommen ungerührt in den Fond seines Gefährts, und als wir vor meiner Wohnung hielten, warf er mich nicht einfach raus, sondern legte seinen Arm um meine Taille und schleifte mich mühsam durch das Treppenhaus.
    »Sie haben eine Medaille verdient«, erklärte ich.
    »Karma. Eines Tages wird jemand für mich dasselbe tun«, erwiderte er gutgelaunt, bevor er mit wippendem Pferdeschwanz verschwand.
    Offenbar war meine Pechsträhne vorbei. Denn in ganz London gab es sicherlich nur einen Taxi fahrenden Buddhisten, der auch noch genau im richtigen Moment an mir vorbeifuhr.
    Ich kann nur schwer beschreiben, was für ein Gefühl es für mich war, als ich urplötzlich wieder in meiner eigenen Wohnung stand. Es war mir vollkommen egal, dass sie wie ein Müllplatz wirkte und dass alle Schubladen und Schränke von der Polizei durchforstet worden waren. Küchentisch und Arbeitsflächen waren mit Tellern, Tassen, Untertassen übersät, als hätte sich dort eine große Teegesellschaft amüsiert, aber das Aufräumen müsste noch etwas warten, weil der Raum sich in ein Karussell verwandelte, das sich, wenn ich auch nur vorsichtig den Kopf bewegte, wild mit mir zu drehen schien. Mein Anrufbeantworter blinkte, und aus irgendeinem Grund lehnte ich mich an die Wand und drückte auf den Knopf, um die eingegangenen Nachrichten zu hören. Meine Mutter informierte mich mit kalter Stimme darüber, dass ich zu unserem samstäglichen Frühstück nicht erschienen war, und danach hatte dreimal der beharrliche Anbieter doppelt verglaster Fenster sein Glück bei mir versucht. Ich wollte die Anrufe gerade löschen, als die nächste Nachricht kam, und mir stockte der Atem, als ich den vertrauten warmen Bariton vernahm.
    »Alice, ich bin’s, Ben. Ruf mich bitte an, wenn du das hier hörst. Ich muss wissen, dass dir nichts passiert ist.«
    Ich spielte den Text noch einmal ab und hörte abermals den sorgenvollen Ton, als wäre er der Einzige, dem meine Sicherheit am Herzen lag. Keine Ahnung, weshalb er hier angerufen hatte, als ich – wie er wusste – bereits im Hotel gewesen war. Vielleicht um seine Spuren zu verwischen. Ich hätte die Nachricht löschen sollen, brachte es aber einfach nicht über mich. Vielleicht weil ich wusste, dass ich seine Stimme nie mehr hören würde.
    Das winterliche Sonnenlicht fiel direkt auf meine Couch. Ich legte mich vorsichtig hin, zog meine Knie an die Brust und versuchte, nicht an Alvarez zu denken. Weil ich immer noch nicht wirklich glauben konnte, dass er tatsächlich der Kidnapper gewesen war. Es erschien mir durchaus möglich, dass er jeden Augenblick vor meiner Tür erschien, um sich für sein Fehlverhalten zu entschuldigen. Doch das Bild seines Gesichts, als Lola die Sturmhaube zurückgezogen hatte, hatte sich mir unauslöschlich eingebrannt, ich stellte ihn mir vor, wie er ganz allein und ohne eine Chance, dass man ihn je wieder entließe, in seiner Gefängniszelle saß, und selbst als ich meine Augen zukniff, brachen sich die Tränen unter den geschlossenen Lidern hervor Bahn.
    Mir
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