Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
Autoren: Adam Nevill
Vom Netzwerk:
gelassen hatten, konnten sie darüber lachen. Das schien ein echtes Bedürfnis zu sein.

3
    Den Fluss erreichten sie nie, und die Träume von den schwedischen Mädchen und Bohnen mit Wurst, die ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen, verblassten wie das Licht dieses Septembertages. Gleichzeitig verschwanden alle Hoffnungen, noch an diesem Tag aus dem Wald herauszufinden.
    Während die anderen drei schweigend dahockten – Luke saß ein Stückchen entfernt von Dom und Phil, die ihre Energieriegel mampften –, studierte Hutch ein weiteres Mal die Karte. Es musste inzwischen das fünfte Mal innerhalb der letzten Stunde sein. Mit seinem schmutzigen Zeigefinger fuhr er die angedachte Abkürzung zwischen der Sörstubba-Route, die sie gegen Mittag verlassen hatten, und dem Weg am Fluss entlang. Er schluckte erneut, um die latente Panik runterzuwürgen, die er verspürte, seit ihm klar geworden war, dass es allmählich dunkel wurde.
    Am Morgen hatte er ganz genau gewusst, an welcher Stelle auf der Karte sie sich gerade befanden, wann sie sich im Gällivare-Bezirk befunden und zu welchem Zeitpunkt sie den Norrbottom-Distrikt erreicht hatten. Am späten Nachmittag, als die kleinen Flecken Himmel, die sie zwischen den Baumwipfeln ausmachen konnten, von einem hellen zu einem dunkleren Grau wechselten, war er sich nicht mehr sicher, wo genau sie sich in dem Waldstück befanden, das die beiden ausgewiesenen
Wege voneinander trennte. Als er die neue Route festgelegt hatte, hätte er niemals gedacht, dass es hier so viel totes Holz und undurchdringliches Gestrüpp gab.
    Es war alles völlig sinnlos. Sie gingen ja nicht einmal mehr ungefähr in die Richtung, die sie sich vorgenommen hatten. Schon vor zwei Stunden hatte er jede Orientierung verloren. Jetzt war es der Wald, der ihnen den Weg vorschrieb. Sie mussten unbedingt nach Südwesten, aber als sie ungefähr vier Kilometer in den Wald vorgedrungen waren, schien es, als würden sie immer mehr nach Westen und irgendwann sogar nach Norden gezwungen. Sie kamen nur dort voran, wo das Unterholz nicht zu dicht war oder wo sich zwischen den uralten Bäumen natürliche Durchgänge auftaten. So war es kein Wunder, dass es ihnen nicht gelang, über längere Zeit eine Richtung zu halten. Das hätte er bedenken müssen. Scheiße!
    Er schaute über seine Schulter zurück zu den anderen. Vielleicht sollten sie die Angelegenheit noch mal neu durchdenken oder den ganzen Weg wieder zurückgehen. Aber selbst wenn er die vom Zufall bestimmte Route durch den Wald noch zurückfinden sollte, wäre es stockdunkel, wenn sie die Stelle erreichten, wo sie am Mittag losgegangen waren. Außerdem bedeutete es, dass sie wieder an diesem Baum mit dem aufgehängten Tierkadaver vorbei mussten. Das würden Dom und Phil sicherlich nicht besonders gut finden. Luke würde wahrscheinlich zustimmen. Aber auch ihm setzte die Wildnis ganz schön zu, das merkte man. Seine Lippen bewegten sich die ganze Zeit, als würde er vor sich hin murmeln. Das war ein eindeutiges Zeichen. Und seit sie richtig tief in diesem Wald drinsteckten, rauchte er ununterbrochen. Das war ein anderes ungutes Zeichen.
    Immerhin bewirkte die Anstrengung, dass die Spekulationen darüber, wie wohl dieses Ding in den Baum gekommen war, zu einem Ende kamen. Hutch hatte noch nie so etwas gesehen, davon gehört oder darüber gelesen. In den zwanzig Jahren, in
denen er immer wieder Ausflüge in die Wildnis unternommen hatte, war ihm ein derartiges Phänomen noch nicht begegnet. Auch Luke war ziemlich irritiert. Hutch merkte ganz deutlich, dass sein Freund sich pausenlos mit diesem rätselhaften Ding beschäftigte. Und dass er genau das Gleiche dachte wie er: Was zum Teufel kann so etwas mit einem derart großen Tier machen? In Gedanken ging Hutch alle möglichen Arten von Bären, Luchsen, Bärenmardern und Wölfen durch. Das passte nicht ganz, aber so was in der Art musste es gewesen sein. Ganz bestimmt. Vielleicht ja sogar ein Mensch. Was angesichts dieser Schlächterei allerdings noch beunruhigender war. Was auch immer diesen Kadaver so verunstaltet hatte, es konnte nicht weit weg sein.
    »Auf, auf, es geht weiter, Männer.«
    Luke bewegte seinen Hintern und stand auf.
    »Leck mich«, sagte Dom.
    »Na, na«, beschwichtigte Phil.
    Dom sah zu Hutch auf. Tiefe Furchen gruben sich in sein Gesicht, das war sogar trotz des struppigen Barts deutlich zu erkennen. In seinen Augen konnte man sehen, wie er litt. »Ich warte hier, bis ihr mich mit einer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher