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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
Autoren: Charlotte Link
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Chloroform, das er ihr mithilfe eines Tuches ins Gesicht gepresst und das dafür gesorgt hatte, dass sie eine ganze Stunde fest schlief. Er hatte sie einigermaßen problemlos in sein Auto schleifen und etliche Meilen weit in eine andere Gegend transportieren können, einigermaßen nur deshalb, weil er drei Tage zuvor, am Donnerstagabend, in eine sehr heftige Kneipenschlägerei verwickelt gewesen war, von der ihm noch immer der rechte Arm höllisch wehtat. Trotzdem hatte er die Frau das letzte Stück bis zu der Höhle getragen. Der schwierigste Part war dann gewesen, sie durch den flachen Gang in das Innere des Felsens zu schaffen. Er konnte sich nur geduckt vorwärtsbewegen, und zudem war es inzwischen auch draußen dämmrig geworden, sodass fast kein Schimmer Tageslicht mehr ins Innere drang. Er hatte zwar eine Taschenlampe dabei, aber er hatte keine Hand frei, sie zu halten. Erster Fehler. Ein Stirnband mit Glühbirne zu besorgen, wie es Bergarbeiter verwendeten, hätte unbedingt zu seinen Vorbereitungen gehören müssen.
    Er hatte schnell erkannt, dass die Sache mit der Beleuchtung bei Weitem nicht der einzige Fehler gewesen war. Denn schließlich war die Frau aufgewacht, und nachdem sie sich übergeben hatte – was vom Chloroform herrührte –, hatte sie nach ihrem Mann gerufen, und er hatte herausgefunden, dass der Mann vorhin ganz in der Nähe des Rastplatzes gewesen war. Er hatte nur den Hund, einen Schäferhund, ausgeführt, sie hatte ihn jeden Moment zurückerwartet. Ihm war ganz kalt und gleich darauf heiß vor Entsetzen geworden. Nachdem er bei seinem ziellosen Herumfahren die einsame Frau auf dem Rastplatz entdeckt hatte, war er mehrfach die Landstraße auf und ab gefahren und hatte überprüft, dass sich sonst niemand in der Gegend aufhielt. Außerdem hatte er gecheckt, ob sie tatsächlich das geeignete Objekt für seinen Plan darstellte. Der große teure BMW hatte ihn überzeugt, zudem die Art, wie die Frau gekleidet war: lässig zwar in Jeans und T-Shirt, aber es schien sich um jene gekonnte Schlichtheit zu handeln, für die man eine ordentliche Stange Geld hinlegen musste. Er brauchte keine Millionäre, nicht bei hunderttausend Pfund, aber an Sozialhilfeempfänger durfte er auch nicht aus Versehen geraten.
    Sie war perfekt, absolut perfekt, hatte er entschieden.
    Um dann zu erfahren, dass er fast von einem Mann und einem Schäferhund überrascht worden wäre. Wenn er genau überlegte, hatte es in diesem Moment mit den Schweißausbrüchen angefangen, die bis jetzt nicht aufhören wollten.
    Du hättest vorsichtiger sein müssen , sagte er sich ständig, viel aufmerksamer. Viel misstrauischer. Viel sorgfältiger.
    Vanessa hatte in dem Felsenloch gekauert, immer noch mit ihrem Brechreiz kämpfend und völlig unter Schock stehend, sodass er es gewagt hatte, sie loszulassen und die Taschenlampe einzuschalten. Sein Halstuch hatte er vor Mund und Nase gezogen. Vanessa sah sich um, erkannte, dass sie sich unter der Erde befand, sah die längliche Holzkiste mit dem aufgeklappten Deckel und drehte durch. Auf allen vieren versuchte sie, den Gang nach draußen zu erreichen, während sie mörderisch schrie und wie eine Raubkatze um sich schlug, als er sie an ihrem rechten Bein zu packen bekam. Er wusste, dass sich hier weit und breit kein Mensch aufhielt und daher niemand sie hören konnte, trotzdem machte ihn ihr Gebrüll nervös. Er war sehr stark dank des Muskeltrainings, das er regelmäßig betrieb, daher hatte die Frau, die zudem noch unter den Nachwirkungen der Betäubung litt, keine Chance. Dennoch lieferte sie ihm einen beachtlichen Kampf. Sie wehrte sich wie eine Rasende, kratzte, biss und schlug, und er war nur froh über seine Maskerade, die es verhinderte, dass man später Blutspuren an ihm finden konnte. Mit einem gezielten Faustschlag hätte er sie sofort außer Gefecht setzen können, aber zu diesem Zeitpunkt kannte er ihren Namen und ihre Adresse noch nicht; er brauchte diese Informationen und hätte sie von einer Bewusstlosen nicht bekommen. Auch mochte er ihr nicht wehtun. Sie tat ihm leid, und für sie wie für sich hoffte er, die ganze Geschichte werde schnell und reibungslos über die Bühne gehen.
    Es war ihm gelungen, ihre Handgelenke zu umklammern und sie dadurch ruhigzustellen. Im selben Moment fiel sie wie ein Häufchen Elend in sich zusammen. In ihren weit aufgerissenen, flackernden Augen stand namenloses Entsetzen.
    »Ich will Geld«, sagte er zu ihr. Seine Stimme klang für ihn selbst
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