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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
Autoren: Charlotte Link
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kohlschwarze Sonnenbrille, ein schwarzes Halstuch, das er so hochgeschoben hatte, dass es fast den Mund bedeckte. Vanessa konnte eigentlich nur seine Nase sehen. Sein Körper steckte in einer schwarzen Jogginghose und einem schwarzen Rollkragenpullover. Er hatte Handschuhe an.
    Sie schluckte trocken.
    »Was …?«, begann sie.
    In der nächsten Sekunde hatte der Mann eine blitzschnelle Bewegung auf sie zugemacht. So unvermittelt, dass Vanessa keine Chance zur Gegenwehr oder gar zum Ausweichen blieb. Etwas Nasses wurde gegen ihr Gesicht gepresst, ein stechender Geruch umfing sie, reizte ihre Bronchien zu heftigem Husten. Der Geruch verursachte ihr Schmerzen und Übelkeit und raubte ihr dann von einem Moment zum nächsten die Sinne. Sie fuchtelte kraftlos mit den Armen wie eine schlaffe Gummipuppe, die an Fäden aufgehängt ist, und dann verlor sie auch schon das Bewusstsein.
    Sie stürzte in völlige Finsternis.
    In eine endlose Nacht.
    2
    Er war schweißgebadet. Obwohl er sich längst des dicken Pullovers, der Mütze, des Halstuches und der Handschuhe entledigt und die Sachen irgendwo nach hinten in den Wagen geworfen hatte. Er trug nur noch die Jogginghose, dazu ein weißes Muskelshirt. Seine ausgelatschten Turnschuhe.
    Aber er schwitzte so, dass er spürte, wie ihm das Wasser den Rücken hinunterrann.
    Er merkte, dass er zu schnell fuhr, und nahm hastig den Fuß vom Gas. Es hätte ihm noch gefehlt, ausgerechnet jetzt einer Polizeistreife aufzufallen. Zwar war er nicht alkoholisiert, aber vielleicht hätte man ihn gefragt, weshalb er an diesem Abend zwischen der Westküste und Swansea unterwegs war. Obwohl dies an sich nicht verdächtig war. Und nicht verboten.
    Entspann dich, Ryan, sagte er zu sich selbst. Du hast den Sonntag am Meer verbracht und bist nun auf dem Heimweg. Daran ist nichts Seltsames.
    Trotzdem fuhr er langsamer. Und trotz der eigenen beschwichtigenden Gedanken hörte er nicht auf zu schwitzen, und auch sein schneller, harter Herzschlag beruhigte sich nicht.
    Seit Tagen versuchte er, seine mahnende, warnende innere Stimme zu überhören, die Stimme, die ihm unaufhörlich zuraunte, dass er sich mit seinem Vorhaben vollkommen übernahm. Dass Entführung und Erpressung nicht nur eine Nummer, sondern mindestens zehn Nummern zu groß für ihn waren. Ryan Lee war bei Gott kein unbeschriebenes Blatt, bestens polizeibekannt und zweifach vorbestraft wegen Einbruch und Körperverletzung. Er hatte zwar immer wieder probiert, seinen Lebensunterhalt durch redliche Arbeit zu verdienen, war aber jedes Mal auf irgendeine Art gescheitert; meist daran, dass es ihm nicht gelang, dauerhaft pünktlich morgens aus dem Bett und an seinen Arbeitsplatz zu kommen. Dann folgte die Kündigung, und er geriet wieder einmal auf die schiefe Bahn. Insofern war ihm ein Leben außerhalb oder höchstens am Rande der Legalität nur zu bekannt.
    Aber es gab schiefe Bahnen und schiefe Bahnen.
    Es war eine Sache, ein paar Computer aus einem Elektrofachgeschäft zu klauen, ein Auto zu knacken, einer alten Dame die Handtasche zu entwenden oder eine deftige Schlägerei vom Zaun zu brechen.
    Eine andere Sache war es, eine Frau zu überfallen, zu betäuben, zu verschleppen und zu verstecken, um von ihrem Ehemann hunderttausend Pfund Lösegeld zu verlangen.
    Dabei konnte so vieles danebengehen, dass ihm, wenn er sich seinen Ängsten auch nur eine Sekunde lang hingab, ganz schwindelig wurde. Zum Beispiel würde er den Ehemann natürlich als Erstes warnen: Keine Polizei! Aber vieles sprach dafür, dass dieser sich dennoch sofort mit den Bullen in Verbindung setzte. Dann hatte er, Ryan, nicht einen einzelnen Mann gegen sich, der noch dazu geschockt und verstört war, sondern den ganzen Polizeiapparat der Region. Die Geldübergabe würde unter diesen Umständen der gefährlichste Moment sein, denn es war klar, dass sie genau dabei versuchen würden, ihn zu schnappen. Sein einziger Trumpf war die Geisel. Diese würde man nicht gefährden wollen.
    Er merkte, dass er inzwischen zu langsam fuhr, auffallend langsam, und steigerte das Tempo wieder. Seine Hände waren so nass, dass sie am Lenkrad abzurutschen drohten. Er musste an die Frau denken. Vanessa hieß sie. Dr. Vanessa Willard. Dozentin an der Universität Swansea. Sie hatte ihm bereitwillig ihren Namen und ihren Beruf genannt, den Namen ihres Mannes, die gemeinsame Wohnadresse in Mumbles, einem Vorort von Swansea. Die Telefonnummer. Alles, was er wissen wollte. Ihr war noch übel gewesen vom
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