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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre
Autoren: Léo Malet
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erwarten Sie
mich vor Ihrer Haustür.“
    „Ja, ja... Großer Gott! Sie hat Rauschgift
genommen, sagten Sie? Wahrscheinlich hat dieses Schwein vom Film es ihr
gegeben...“
    „Wahrscheinlich.“
    „Verdammt! Und warum?“
    „Sagen wir... um besser mit ihr schlafen zu
können, um sie gefügiger zu machen... Ihre Tochter hat vielleicht so getan, als
ob, und als es dann ernst wurde, hat sie... äh... den Schwanz eingezogen, wenn
ich das mal so sagen darf. So was hat man häufiger.“
    „Großer Gott! Ich hoffe, Sie haben sich an
unsere Vereinbarung erinnert, Burma!? Haben Sie ihm ordentlich die Fresse
poliert?“
    „Er hat keine mehr.“
    „Bravo! ... Aber... Sagen Sie, Sie haben ihn
doch nicht gleich umgebracht?“
    „Nein, das hatte schon jemand anders erledigt.“
    „Das hat...“
    Dem dicken Coulon blieb die Spucke weg.
    „Abgeknallt“, erläuterte ich. „Apropos, besitzt
Ihre Tochter einen 22er Revolver mit langem Lauf, den sie eventuell auf ihre
Reise nach Cannes mitgenommen hat?“
    „Aber nein, um Gottes willen! Völlig ausgeschlossen!
Was hätte sie mit einem 22er anfangen sollen? ... Oh, verdammt... Sie wollen
doch nicht sagen, daß... daß... Si... Simone...“
    „Nein, nein, beruhigen Sie sich! Aber Sie sehen,
daß dies hier keine Lappalie ist. Also, befolgen Sie meine Anweisungen.“
    Damit war das Gespräch beendet. Ich wischte den
Hörer ab und legte ihn auf die Gabel. Jetzt mußte ich das immer noch
weggetretene Mädchen anziehen und nach Hause bringen. Doch vorher wollte ich
mich noch ein wenig in dem Häuschen umsehen. Hätte der Himmel mir die Flics
schicken wollen — wie ich es bei meiner Ankunft hier befürchtet hatte — , dann
wäre das inzwischen schon längst geschehen. Jetzt kam es auf fünf Minuten auch
nicht mehr an...
    Simones Klamotten lagen unordentlich auf einem
Stuhl. Auf einem anderen Stuhl lagen Männerkleider. Sie gehörten Prunier, was
mir die Papiere in der Brieftasche verrieten. Der Tote war etwa vierzig Jahre
alt gewesen und Besitzer der Floride, die draußen vor der Tür stand. Ich
schob die Brieftasche wieder an ihren Platz zurück. Mit einem Taschentuch in
der Hand — um keine Fingerabdrücke auf Klinken und Lichtschaltern zu
hinterlassen — unternahm ich einen Rundgang durchs Haus.
    Außer dem living-room mit dem Toten bot
das Erdgeschoß nichts Bemerkenswertes. Der Wandschrank in der Küche enthielt
eine merkwürdige Sammlung von Konservendosen. Wenn nicht zwei Kugeln seinem
Leben ein Ende gesetzt hätten, wäre Prunier eines schönen Tages an Skorbut
gestorben...
    Ich ging die Treppe hinauf. Das Atelier mit dem
breiten Fenster war mit allen möglichen Apparaten zur Ausübung der Fotokunst
ausgerüstet. Ein „Kunstwerk“ mit einem Waldmotiv stand hinten an der Wand auf
einer kleinen Bühne. Neben diesem Posier-Podest führte eine Tür in ein
angrenzendes Zimmer, das in eine Art Vorführraum verwandelt worden war, mit
einer Leinwand und einem Projektionsgerät, das auf einer Kommode stand,
zusammen mit drei Metallkästen, die i6mm-Filme enthielten. Auf einem der Kästen
stand: Simone. Ich nahm die Rolle heraus, legte den Film ein und setzte
den Mechanismus des Projektionsgeräts in Gang. Auf der Leinwand erschien Simone
Coulon in Großaufnahme und in der Halbnahen. Sie versuchte, ihrem Gesicht eine
ganze Skala von schwer zu bestimmenden Ausdrücken zu verleihen. Das Ergebnis
war eher dürftig. Der Film lief weiter. Simone ging vor dem Waldmotiv auf und
ab, tat so, als pflücke sie eine Blume, als lausche sie Vogelgezwitscher und
lauter solchen Quatsch. Keine „Außenaufnahme“, und dazu die Konservendosen
unten in der Küche: Auch wenn das Mädchen nicht eingesperrt gewesen war, so
hatte sie sich seit ihrer Ankunft in dieser Behausung wohl praktisch nicht von
hier fortbewegt. Ich stoppte die Vorführung. Die Keuschheit der Bilder
erstaunte mich ein wenig. Irgendwie hatte ich etwas anderes erwartet. Ich legte
die Filmrolle zurück in den Kasten und setzte meinen Rundgang fort. Schließlich
stand ich im Laboratorium. Die Abzüge und die Negative, die an einer Leine
hingen, waren schon seit langem trocken. Auch diese Fotos meiner Klientin
zeigten nichts Unzüchtiges, auch wenn die Kleine auf Teufel komm raus Grimassen
schnitt. Ich stopfte Fotos und Negative in einen leeren Briefumschlag, der auf
einem Hocker herumlag, steckte ihn ein, nahm auch die Filmrolle an mich und
ging wieder zurück zu meiner Miss Hollywood.
    Ich setzte das Sorgenkind auf die
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