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Im Schatten meiner Schwester. Roman

Titel: Im Schatten meiner Schwester. Roman
Autoren: Barbara Delinsky
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Schlafzimmern Schatten spendete und die Luft mit Pinienduft erfüllte. Molly hatte davon durch Zufall erfahren, als der Besitzer, der New Hampshire verließ, um nach Florida zu ziehen, auf der Suche nach einem Heim für Dutzende von Pflanzen in die Gärtnerei gekommen war. Nun wollte der Besitzer renovieren und verkaufen, so dass Molly und Robin hinausgeworfen wurden.
    Molly fand die hervorragende Küche einfach wunderbar. Sie liebte das verwitterte Gefühl des Fußbodens mit den breiten Bohlen und die Flügelfenster. Obwohl Robin sich beklagte, dass das Haus zugig sei und die Räume dunkel, war es ihr eigentlich egal, wo sie wohnte. Sie war die Hälfte der Zeit sowieso nicht da – in Denver, Atlanta, London, L. A. Wenn sie keinen Marathon, Halbmarathon oder zehn Kilometer lief, leitete sie ein Seminar oder tauchte bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung auf. Die meisten Kisten im Wohnzimmer gehörten Molly. Ihre Schwester hatte nicht viel zu packen.
    Robin war froh auszuziehen, Molly nicht, doch sie würde mitmachen, nur damit Robin wieder so wäre wie früher.
    Molly wartete auf den Anruf ihrer Mutter und schlief mit dem Telefon in der Hand und alles andere als tief. Ständig wurde sie aus dem Schlaf gerissen und hatte das hohle Gefühl zu wissen, dass etwas nicht stimmte, und sich nicht mehr zu erinnern, was es war. Zu schnell erinnerte sie sich dann doch wieder und lag voller Angst wach. Ohne dass Robin aufstand, um irgendeinen Körperteil mit Eis zu kühlen, war das Haus unheimlich still.
    Um sechs Uhr brauchte Molly Gesellschaft und suchte nach der Katze. Sie hatte gefressen und das Katzenklo benutzt. Doch sie war nirgends zu finden, auch wenn Molly noch genauer suchte als am Vorabend. Da hatte sie Zeit verschwendet, wollte, dass Robin ausnahmsweise mal auf sie warten musste. Wie kleinlich das gewesen war. Ein Hirnschaden war Lichtjahre entfernt von einem verstauchten Knöchel oder Knie.
    Natürlich konnte Robin inzwischen aufgewacht sein. Aber wen sollte sie anrufen? Molly konnte es nicht riskieren, ihre Mutter anzurufen, wollte ihren Vater nicht wecken, und Chris war keine Hilfe. Die Intensivstation würde nur einen offiziellen Zustandsbericht abgeben. Kritischer Zustand? Das wollte sie nicht hören.
    Also goss und beschnitt sie den Philodendron auf dem Speicher, pflückte tote Blätter von einem kranken Ficus, besprühte einen sich erholenden Farn, während sie die ganze Zeit der Pflanze süße, sinnlose Dinge zuflüsterte, bis ihr schließlich nichts mehr einfiel und sie Jeans anzog und ins Krankenhaus fuhr. Sie ging direkt auf die Intensivstation und hoffte gegen alle Hoffnung, dass Robins Augen offen wären. Als sie das nicht waren, sank ihr das Herz. Das Beatmungsgerät rauschte, die Apparate blinkten. Wenig hatte sich geändert, seit sie gestern Nacht gegangen war.
    Kathryn schlief auf einem Stuhl neben dem Bett, und ihr Kopf berührte Robins Hand. Sie bewegte sich, als Molly näher kam, und sah benommen auf die Uhr. Müde sagte sie: »Ich dachte, du wärst inzwischen in der Gärtnerei.«
    Mollys Blick war auf ihre Schwester gerichtet. »Wie geht es ihr?«
    »Unverändert.«
    »Ist sie gar nicht aufgewacht?«
    »Nein, aber ich habe mit ihr geredet«, antwortete Kathryn. »Ich weiß, sie hört mich. Sie bewegt sich nicht, weil sie noch traumatisiert ist. Aber wir arbeiten daran, nicht wahr, Robin?« Sie streichelte mit dem Handrücken Robins Gesicht. »Wir brauchen nur noch ein bisschen mehr Zeit.«
    Molly erinnerte sich daran, was der Arzt über den Mangel an Reaktion gesagt hatte. Es war kein gutes Zeichen. »Haben sie die Magnetresonanztomographie gemacht?«
    »Nein. Der Neurologe wird erst in einer Stunde hier sein.«
    Dankbar, dass ihre Mutter nicht wegen des Wartens jammerte, packte Molly den Handlauf. Wach auf, Robin, drängte sie und suchte unter Robins Lidern nach einer Bewegung. Träumen wäre ein gutes Zeichen.
    Doch ihre Augenlider blieben glatt. Entweder schief sie tief, oder sie lag tatsächlich im Koma. Komm schon, Robin, rief sie innerlich mit größerer Kraft.
    »Ihr Rennen verlief wirklich gut, bis sie fiel«, bemerkte Kathryn und führte Robins Hand an ihr Kinn. »Du wirst es wieder dorthin schaffen, Süße.« Sie atmete schnell tief ein.
    Da sie glaubte, sie habe etwas gesehen, blickte Molly genauer hin.
    Doch Kathryns Stimme klang locker. »Oh, oh, Robin. Fast hätte ich’s vergessen. Du sollst dich doch heute Nachmittag mit den Concord-Mädels treffen. Das werden wir verschieben
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