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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
Autoren: Jürgen Rath
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Moritz zielte sorgfältiger als zuvor. Die Ratte quietschte auf, sprang in die Luft und war im nächsten Augenblick im Fundament des Speichers verschwunden.
    Sicher hat Jette die Hausmädchenstelle bekommen, dachte er. Wenn Madame Schröder etwas in die Hand nimmt, klappt es bestimmt. Und nun braucht mich Jette nicht mehr. Ich bin nurnoch lästig, jetzt, wo sie bei vornehmen Leuten in Dienst ist. Wie gemein, wie selbstsüchtig, wie berechnend. Sicherlich sind alle Mädchen so.
    Da, wieder eine Bewegung am Kai. Undeutlich nur und recht weit entfernt. Moritz kniff die Augen zusammen. Er versuchte, Genaueres zu erkennen. Eine dunkle Gestalt kam die Straße herunter. Der Elbrandmörder, dachte er erschrocken. Ach nein, der war ja tot. Aber vielleicht ist es sein ruheloser Geist, so etwas soll es ja geben. Inzwischen konnte Moritz eine weiße Schürze und ein weißes Häubchen erkennen. Geister haben keine Schürzen, das tragen nur Dienstmädchen. Merkwürdig, dass sich ein Dienstmädchen in diese Gegend verirrt.
    Das Dienstmädchen begann zu rennen, immer schneller, direkt auf ihn zu. In vollem Lauf warf es sich an Moritz’ Brust, er musste sich dagegenstemmen, um nicht ins Fleet gerissen zu werden. Er wollte etwas sagen, kam jedoch nicht mehr dazu, das Dienstmädchen bedeckte nicht nur sein Gesicht mit Küssen, auch seine Ohren mussten dran glauben. Mann, dachte er, die ist ja mindestens so heftig wie Cäcilie.
    Schließlich befreite er sich von der Bediensteten, hielt sie auf Abstand und blickte an ihr herunter. »Vornehm siehst du aus, Jette. Wie ein richtiges Hausmädchen bei feinen Leuten. Quatsch, was erzähle ich da: wie eine Hausdame.«
    Jette legte ihre Hände auf seine Schultern. Sie sah ihm direkt ins Gesicht, fixierte erst das rechte Auge, dann das linke, dann wieder das rechte. »Ich bin so glücklich, Moritz. Ich habe eine Stelle bei Konsulin Röder am Gänsemarkt. Stell dir vor, bei einer Konsulin!« Sie kicherte. »Natürlich ist sie keine richtige Konsulin, ihr Mann ist Konsul. Aber sie ist eine sehr feine Dame.«
    »Erzähl mir mehr«, sagte er, schlang seine Arme um sie und vergrub das Gesicht in ihren Haaren. Leider störte das Häubchen etwas.
    »Die haben drei kleine Kinder. Und eine Hausdame. Die spricht aber fast nur französisch. Ich glaube, Frau Konsulin hatmich genommen, weil ich viel Erfahrung mit meinen Geschwistern habe.«
    »Wann sollst du anfangen?«
    »Nach der Einsegnung, die ist am Sonntag. Bis dahin müssen wir uns noch ganz oft sehen. Und spazieren gehen. Ich in meinem neuen Kleid und du in deinem feinen Anzug. Nachher geht es ja nicht mehr so gut.«
    Mit einem Mal begann Jette zu schniefen, sie hörte überhaupt nicht auf damit, dicke Tränen kullerten über ihre Wangen.
    »Was ist denn jetzt passiert?«, fragte Moritz erschrocken. »Bist du traurig?«
    »Ja, sehr traurig. Weil wir uns nicht mehr oft sehen können. Nur an meinem freien Tag. Und vielleicht mittags am Jungfernstieg, wenn ich etwas für meine Herrschaft besorgen muss oder mit den Kindern und der Hausdame unterwegs bin.«
    Moritz fuhr der Schreck in die Glieder. Daran hatte er überhaupt nicht gedacht. Er nahm Jette in den Arm, rückte ihr Häubchen zurecht, drückte sie an sich und küsste sie ganz fest, so fest wie er sie noch nie geküsst hatte. Er streckte die Zungenspitze etwas hervor und tastete ihre kalten Lippen ab. Merkwürdig fühlten die sich an, ganz schrumpelig und doch weich. Auf jeden Fall anders als seine eigenen Lippen, bei denen fühlte er nichts. Jettes Lippen machten süchtig, er konnte gar nicht aufhören mit dem Küssen.
    Doch Jette konnte aufhören. Sie bog den Kopf zurück und schaute ihn mit großen, wässrigen Augen an. Mit einem Mal hatte er das Gefühl, als würden Sterne in ihren Augen aufblitzen. Wie die Sterne auf der Wasseroberfläche eines stillen Fleets. Nicht des Dovenfleets, das stank ja, da blinkte nichts.
    Sie atmet tief ein, dann packt sie Moritz bei den Ohren. Er wollte sie wieder küssen, doch sie bog den Kopf beiseite.
    »Nein«, sagte sie, »jetzt bin ich dran.« Nun streckte auch sie die Zungenspitze heraus und tastet seine Lippen ab. Das kitzelte etwas, war aber nicht unangenehm. Im Gegenteil, das kitzligeGefühl kroch von den Lippen nach innen in seinen Körper hinein, wurde zu einem Strom und breitete sich bis zu den Zehenspitzen aus. Er konnte nicht verhindern, dass ihm ein Schauer nach dem anderen über den Rücken lief. Moritz drückte Jette ganz fest, so fest, dass ihr
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