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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
Autoren: Jürgen Rath
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vor. »Ich brauche deine Unterstützung, Caesar. Du bist ein angesehener Kaufmann, deine Stimme zählt viel in Hamburg.«
    »Welche Unterstützung?«
    »Dieser Elbrand, der Werftbesitzer, will einen Schwerlastkran im Hafen bauen. Einen hölzernen Kran mit einer veralteten Technik, den er Hebemaschine nennt. So etwas Altmodisches wollen wir im Hafen nicht haben!«
    Caesar Schröder entspannte sich. Er lächelte sanft und setzte sich wieder, nicht ohne dem Kapitän einen Stuhl anzubieten. Doch der reagierte nicht, sondern wippte weiterhin nervös auf seinen Holzsohlen.
    Der Patron legte die Fingerspitzen gegeneinander. »Elbrand ist ein honoriger Bürger dieser Stadt, Harry. Er hat mit seiner Schiffswerft in der Vergangenheit hervorragende Arbeit geleistet. Warum sollte er keinen Kran bauen dürfen?«
    Kapitän Westphalen schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Elbrand ist ein Mann der Vergangenheit. Der kommt noch aus dem Mittelalter. Doch wir leben nicht mehr im Mittelalter, wir müssen in die Zukunft schauen.«
    Schröder wischte etwas Löschsand von den Papieren auf dem Schreibtisch. »Der Rat der Stadt wird schon genau prüfen, ob es der richtige Kran für Hamburg ist.«
    »Vielleicht wird er die richtige Entscheidung treffen   – für euch Kaufleute. Doch das hilft uns wenig. Wir brauchen moderne Krane im Hafen. Die Engländer mit ihrer Eisenindustrie werden uns auslachen wegen dieser mittelalterlichen Technik. Wenn die Regierung die Hebemaschine genehmigt, fällt Hamburg um mindestens einhundert Jahre zurück. Und auch das Handelshaus Schröder und Westphalen wird darunter leiden.«
    Caesar Schröder wuchtete sich aus seinem Sessel, trat ans Fenster und blickte auf die Straße hinunter. Es gab nicht viel zu sehen. Ein paar Lastenträger waren unterwegs, Quartiersleute zogen mühsam eine Schottsche Karre mit Kisten über das Kopfsteinpflaster, an der Ecke bot eine Vierländerin Gemüse feil. Schröder strich sich mit der Hand, an den Schläfen beginnend, am Kopf entlang nach hinten, eine sinnlose Geste, die noch aus jener Zeit resultierte, als er mit einem kräftigen Haarwuchs gesegnet war.
    »Harry, diese Stadt hat zu viele Probleme, um sich mit einem Kran allzu lange zu beschäftigen. Wir schreiben das Jahr   1845. Vor gerade mal drei Jahren hatten wir den großen Brand, wie du weißt. Die Geschäfte lagen am Boden, Hamburg hatte keinen Kredit mehr. Drei Kirchen und Hunderte von Häusern waren zerstört, es fehlte an Wohnraum für viele tausend Menschen. Diese Schwierigkeiten sind noch längst nicht alle beseitigt. Was kümmert die Menschen eine Hebemaschine?«
    »Für uns im Hafen bedeutet dieser Kran sehr viel. Wenn der Rat der Stadt diese hölzerne Hebemaschine genehmigt, gibt es Krieg! Wir lassen uns unsere Zukunft nicht von ein paarverkalkten Männern versperren, die im Ratssaal herumsitzen und über ihren Pfeifen einschlafen.«
    Im Kontor öffnete sich die Tür zu den Privaträumen im zweiten Obergeschoss. Die Tochter des Kaufmanns eilte mit gerafften Röcken an den Männern vorbei, einen hastigen Knicks andeutend. Der Vorsteher und die beiden Commis verbeugten sich, Moritz errötete.
    »Mama hat zum Essen läuten lassen, Herr Papa«, sagte Cäcilie vorwurfsvoll. »Haben Sie es nicht gehört?«
    Caesar Schröder gab sich erstaunt. Er fasste Kapitän Westphalen am Arm. »Komm, Harry, wir essen zu Mittag. Man soll die Dame des Hauses nie warten lassen.«
    »Ich kann nichts essen«, polterte Westphalen. »Dieser Elbrand verdirbt mir den Appetit. Ich gehe zum Hafen zurück.«
    Caesar Schröder durchquerte das Kontor und klatschte in die Hände. »Machen sie Mittag, meine Herren.«
    Cäcilie hakte sich im Vorbeigehen bei ihrem Bruder Alexander ein und schleppte ihn mit nach oben.
    Kaum hatten die Schröders den Raum verlassen, streifte der Kontorvorsteher erneut die Ärmelschoner ab und eilte nach Hause. Moritz nahm die Brote, die ihm seine Mutter eingepackt hatte, und stellte sich ans Fenster. Am Stehpult durfte er nicht essen, denn Harms achtete streng darauf, dass es keine Fettflecken oder Brotkrümel auf der Korrespondenz des Handelshauses Schröder   &   Westphalen gab.
    Roger trat zu Moritz. »Come on, my friend«, sagte er in seinem weichen englischen Tonfall, »lass die Brote liegen. Die Sonne scheint. Wir gehen zum Jungfernstieg und schauen nach den hübschen jungen Mademoisellen.«
    Moritz blickte verschämt an seiner Jacke herunter, die zwar sauber, aber etwas abgetragen war. »Ich
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