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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
Autoren: Jürgen Rath
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hervor.
    Moritz zuckte teilnahmslos mit den Schultern. »Mir kann es egal sein. Mein Vater transportiert keine Schwerlasten, er braucht keinen Kran.«
    Roger ging nicht auf den Einwand ein. »Es gibt zwei Probleme«, erklärte er. »Erstens ist diese Maschine aus Holz und zweitens ist sie überhaupt kein Kran.«
    »Sondern?«
    »Sie ist eine Hebemaschine, wie der Name schon sagt. Dieses Ding kann nur Lasten anheben und dann an der gleichen Stelle wieder absetzen. Es kann die Lasten nicht an Land schwenken.«
    »Das macht keinen Sinn«, sagte Moritz verblüfft. »So kann man doch keine Ladung aus einem Schiff bekommen.«
    »Doch! Man hebt die Ladung an, schafft das Schiff beiseite, bringt eine Schute unter das Gut und senkt die Ladung dann wieder ab.«
    »Und was soll das bringen? Dann hat man den Dampfkessel oder die Lokomotive immer noch nicht an Land, sondern in der Schute.«
    »Die Schute wird dann zum Kai der Berlin-Hamburger Eisenbahn geschleppt und mit deren Eisenkran an Land gesetzt.«
    »Dann kann man das Schiff doch gleich dort festmachen!«
    »Das geht nicht. Der Binnenhafen hat zu wenig Tiefgang für die großen Schiffe.«
    Moritz blickte über das Alsterbecken auf die neuen Häuser, die dort nach dem großen Brand entstanden waren. Das von Roger beschriebene Verfahren erschien ihm in der Tat recht umständlich. Vielleicht hatte ein Schiff mehrere dieser schweren Güter geladen, was dazu führte, dass es ständig hin- und herverholen werden musste.
    »Warum baut man nicht den gleichen Kran wie den der Eisenbahngesellschaft?«
    »Die Hebemaschine ist billiger. Außerdem scheint dieser Elbrand viele Freunde in der Deputation zu haben.«
    »Und warum baut dieser Elbrand keinen eisernen Kran?«
    Über diese naive Frage war Roger so verblüfft, dass er zunächst nicht antwortete. »Weil Elbrand eine Holzschiffswerft hat und keine Eisenwerft«, sagte er schließlich in einem Tonfall, als würde er einem Insassen des Siechenhauses etwas erklären. »Um einen Eisenkran bauen zu können, braucht man ein Hüttenwerk und eine Eisengießerei. Das gibt es nicht in Hamburg. Und man braucht Fachkräfte, die einen solchen Kran konstruieren können. Die gibt es nur in England. Alles, was du auf demKontinent aus Metall findest, kommt aus England. Wir haben die Fachleute, sonst niemand.«
    Moritz begehrte auf. »Was ist mit den Eisenbrücken?«
    »Aus England!«
    »Und den Hamburger Schiffen, die mit Dampfmaschinen fahren?«
    »Auch aus England.«
    Moritz’ Blick wanderte wieder zum neuen Stadtteil hinüber. Er fand die Gebäude zu groß und zu ungemütlich. Aber es sollte dort sehr fortschrittlich sein, hatte er gehört. Der englische Ingenieur, dieser William Lindley, hatte Rohre verlegen lassen, durch die das Abwasser unterirdisch in die Elbe floss. Und das Trinkwasser wurde sogar durch Bleileitungen bis in die Häuser gebracht.
    »Hat man Herrn Lindley gefragt, welchen Kran er empfehlen würde?«
    Roger lächelte säuerlich. »Ja, hat man. Aber Mr.   Lindley hat gesagt, dass er mit wichtigeren Dingen beschäftigt ist, als sich um einen einzelnen Kran zu kümmern. Er hat dem Rat der Stadt empfohlen, sich den Kran der Eisenbahngesellschaft anzusehen.«
    »Natürlich ein Kran, der in England gebaut worden ist.«
    »Ganz richtig.«
    Sie machten sich auf den Rückweg. Während Roger mit düsterem Blick vor sich hinbrütete, sah sich Moritz interessiert die Boote auf der Alster an. Da wurden vornehme Männer von ihren Domestiken gerudert, während sie gelangweilt eine Angel hielten. In einem Boot, das am Ufer festgemacht war, saß ein nach der neuesten englischen Mode gekleideter Herr und las in einem Buch. Diese Engländer haben schon sehr merkwürdige Angewohnheiten, dachte Moritz. Er versuchte sich Roger vorzustellen, wie er inmitten der belebten Alster in einem Boot sitzend ein Buch las. Es gelang ihm ohne Schwierigkeiten.
    Die jungen Damen auf dem Jungfernstieg nickten Roger zu, doch der nahm heute keine Notiz von ihnen.
    »Ärgere dich nicht«, sagte Moritz. »Bald bist du wieder in England. Was interessiert dich dann eine hölzerne Hebemaschine in Hamburg.«
    Roger hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und starrte vor sich hin. »Diese unsägliche Maschine ist wohl nicht zu verhindern. Es sei denn, man könnte Elbrand stoppen.«
    Sie bogen in die Große Reichenstraße ein. Vor dem Handelshaus hob Roger den Kopf und schob das Kinn angriffslustig vor.
    »Heute Abend gibt es in der Patriotischen Gesellschaft
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