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Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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Kabels aufsammelte, das quer durch die Bäume und über spitze Sandbänke und Sumpfausläufer ausgelegt war. Die Sonne stand grellweiß am Himmel, und die Luft war so feucht wie der Dampf, der von einem Topf mit gekochtem Gemüse aufsteigt. Sobald ich im Schatten der Bäume war, umschwärmte mich ein grauer Nebel von Moskitos, der um meine Augen und Ohren so dicht wie ein Helm war.
    Kabelrolle und Spule hingen an Leinenriemen vor meiner Brust, und immer wenn ich ein paar Fuß Kabel aufgespult hatte, mußte ich aufhören und tief ins Wasser eintauchen, um die Moskitos von der Haut zu bekommen, oder mir mehr Schlamm auf Schultern und Gesicht schmieren. Es war der fünfte Tag meines Jobs, der zehn dauern sollte, was bedeutete, daß heute abend der Vorarbeiter erlauben würde, daß sein Boot ein paar von uns am Damm bei Charenton absetzte, von wo aus wir dann in ein kleines Kaff in der Nähe von Morgan City fahren würden, wo wir ins Kino gehen konnten. Als ich auf meinen Armen Moskitos zu blutigem Matsch schlug und durch sandigen Morast watete, der mir bis über die Knie ging, mußte ich die ganze Zeit an die kalte Dusche denken, die ich später auf dem Mannschaftsboot nehmen, an das gebratene Hühnchen, das ich abends im Speisesaal essen würde, an die Fahrt in die Stadt, zwischen Zuckerrohrfeldern hindurch, am kühler werdenden Abend. Dann brach ich am Rand einer weiteren Bucht aus der Waldung heraus, in eine milde Brise, Sonnenlicht, den Anflug von Regen, der sich im Süden ankündigte.
    Ich ließ die schwere Kabelrolle in den Sand fallen, kniete im flachen Wasser nieder und wusch mir den Schlamm von der Haut. Knapp hundert Meter auf der anderen Seite der Bucht sah ich ein Boot mit einer Kabine, das an der Mündung eines schmalen Bayous vertäut war. Ein schwarzer Mann trat vom Bug auf die Uferböschung, gefolgt von zwei weißen Männern. Dann sah ich genauer hin und merkte, daß da etwas ganz und gar nicht stimmte. Einer der Weißen hielt eine Pistole in der Hand, und die Arme des Schwarzen waren ihm mit einer dicken Kette, die man um seinen Oberkörper gewickelt hatte, an den Leib gefesselt.
    Ich starrte ungläubig hin, als der Schwarze plötzlich ein kurzes Strandstück hinunterrannte, den Kopf nach hinten über die Schulter verdreht, und der Mann mit der Pistole zielte und schoß. Die erste Kugel mußte ihn ins Bein getroffen haben, weil es unter ihm nachgab, als hätte man den Knochen mit einem Hammer entzweigeschlagen. Er kam noch einmal halb auf die Beine, stolperte ins Wasser und kippte zur Seite. Ich sah, wie die Kugeln um ihn herum im Wasser aufspritzten, als der Kopf mit den krausen Locken versank. Der Mann mit der Pistole watete ihm hinterher und schoß immer weiter, bis er fast senkrecht hinunter ins Wasser zielte, während der andere Weiße von der Uferböschung ruhig zusah.
    Den Schwarzen sah ich nicht mehr.
    Dann blickten die zwei Weißen über die sich flach dahinstreckende Bucht und sahen mich. Ich erwiderte ihren Blick, stumpf, fast verlegen, wie jemand, der im falschen Augenblick eine Schlafzimmertür geöffnet hatte. Dann gingen sie in aller Seelenruhe zurück zu ihrem Boot, ohne erkennbare Anzeichen von Hast oder Sorge, geradeso, als ob mein Erscheinen keinerlei Belang hätte.
    Später erzählte ich dem Vorarbeiter, jemandem vom Sheriff’s Department und zu guter Letzt allen, die mir zuhören wollten, was ich da gesehen hatte. Aber ihr Interesse war von kurzer Dauer; eine Leiche wurde in der Gegend nie gefunden, und es wurde auch nie irgendein schwarzer Mann aus der Gegend als vermißt gemeldet. Mit der Zeit versuchte ich mir selbst einzureden, daß der Mann in Ketten seinen Peinigern entkommen war, für unglaublich lange Zeit den Atem angehalten hatte und irgendwo stromabwärts wieder aufgetaucht war, um einem neuen Tag entgegenzusehen. Als Neunzehnjähriger wollte ich nicht akzeptieren, daß es möglich war, den Mord an einem Menschen für genauso geringfügig zu halten wie die Nagelreste, die bei einer Maniküre zu Boden fielen.
    Am Morgen nachdem ich Elrod T. Sykes wegen Trunkenheit am Steuer angehalten hatte, stand Punkt neun Uhr ein Rechtsanwalt, und nicht Elrod Sykes, in meinem Büro. Er war großgewachsen, hatte silbergraues Haar, und er trug einen grauen Anzug mit roten Steinen in den Manschettenknöpfen. Er sagte mir seinen Namen, ohne daß es Wirkung bei mir hinterließ. Tatsache war, daß es mich nicht im geringsten interessierte, was er zu sagen hatte.
    »Selbstverständlich steht
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