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Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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Küste in rosa Licht getaucht war, sah man praktisch ein Kaleidoskop der Pflanzenwelt und Geologie des amerikanischen Kontinents, von den purpurnen Gipfeln der Santa Monica Mountains bis hinunter zu der schäumenden Gischt, die die Strände hochkroch: Da waren trockene Hügel, bewachsen mit Chapparal, Mesquitesträuchern und Zwergeichen, Eukalyptus und Zinnkraut, zwischen den Stuckhäusern mit den blauen Kacheln Goldkiefern und andere Nadelbäume, rote Gartenmauern, überwuchert von Bougainvillea, auf den Hügeln angelegte Gartenterrassen voller Oleander, Yuccapalmen und Hortensien, dicht durchzogen von Schlingpflanzen, und Orangenhaine, deren Bewässerungsgräben im Nachleuchten der Sonne wie Quecksilber pulsierten.
    Dann gingen Millionen von Lichtern an, in den Canyons, auf den Freeways, überall in dem ganzen weiten Becken von Los Angeles, und es war fast so, als ob man einen Ausblick auf den Endpunkt des amerikanischen Traumes hätte, ein geographisches Gedicht, zu dem schließlich alle unsere Highways führen, eine Stadt der Illusionen, gegründet von Conquistadoren und Missionaren, der Obhut von Engeln überantwortet, wo sich heute weit unter den kreisenden Propellern unseres Wasserflugzeugs schwarze Jugendliche auf den palmengesäumten Straßen von Watts wilde Jagden mit automatischen Waffen lieferten.
    Der Morgennebel zog durch den Canyon, und ich dachte, daß ich vielleicht doch noch einmal den edlen und ritterlichen John Bell Hood sehen würde. Nur eine kurze Erscheinung vielleicht, ein galanter Gruß mit dem Hut, ein gütiges Lächeln, der leicht gehetzte Ausdruck, der immer in seinem Gesicht lag. Aber als die Tage so vergingen und ich nach und nach die ganzen gewalttätigen Ereignisse dieses Sommers abschütteln konnte, mußte ich mich damit abfinden, daß der General, wie Bootsie gesagt hatte, in der Tat nur ein Wunschbild meiner Phantasie war, eine metaphorische und mythische Gestalt, die vermutlich ebenso der Feder von Thomas Mallory oder Walter Scott zuzuschreiben war wie dem LSD, das mir jemand draußen am Spanish Lake in den Drink gegeben hatte.
    Zwei Abende vor unserer Abfahrt saß Alafair auf der roten Mauer am Rand von Elrods Terrasse und blätterte in einem der Bücher über den Bürgerkrieg, die Bootsie aus der Bibliothek geholt hatte.
    »Was machst du denn da drin, Dave?« fragte sie.
    »Wo drin? Wovon redest du, Kleines?«
    Sie starrte immer noch auf eine Seite, die aufgeschlagen in ihrem Schoß lag.
    »Du bist auf dem Bild da. Mit dem alten Mann, den Poteet und ich im Maisfeld gesehen haben. Der so streng gerochen hat«, sagte sie und drehte das Buch, damit ich es auch sehen konnte.
    Die Fotografie, ein steifes, gestelltes Porträt, wie es im neunzehnten Jahrhundert so üblich war, zeigte den General und sieben seiner Adjutanten und Soldaten.
    »Der dahinten. Der ohne Waffe. Das bist du, Dave«, sagte sie. Dann hob sie den Kopf und starrte mich an, einen fragenden, leicht verwirrten Ausdruck im Gesicht. »Nö?«
    »Du sollst nicht ›nö‹ sagen, Kleines.«
    »Was machst du in dem Bild?«
    »Das bin ich nicht, Alf. Das sind texanische Soldaten, die mit John Bell Hood gekämpft haben. Ich wette, daß das ziemlich tüchtige Burschen waren«, sagte ich und streichelte ihr über den Kopf.
    »Woher weißt du, daß die aus Texas sind? Das steht hier gar nicht.«
    »Das hab ich nur geraten.«
    Sie betrachtete noch einmal das Foto, dann wieder mich, und ihr Gesicht wurde zusehend verwirrter.
    »Komm, wir holen Elrod und Bootsie und gehen runter an den Strand und essen ein Eis«, sagte ich.
    Ich nahm ihr das Buch aus der Hand und schloß es, hob sie hoch an meine Hüfte und ging durch einen Korridor purpurner Klettertrompeten zu der Terrasse hinter dem Haus, wo Bootsie und Elrod den Abendbrottisch abräumten. Unten im Canyon trieb der Rauch von Grillfeuern durch die Zedern und Mesquitebäume, und wenn ich in die untergehende Sonne blickte und die Augen zusammenkniff, hätte ich mir fast einbilden können, daß an diesen Hügeln spanische Soldaten mit silbernen Brustpanzern und schmiedegehämmerten Helmen oder ein längst ausgestorbener Stamm von Jägern campierte. Oder vielleicht sogar alte Südstaatler in nußbraunen Uniformen auf einer Odyssee durch die Geschichte – galant, in mancher Hinsicht wie Ritter der Tafelrunde, die kugeldurchlöcherte Fahne hochgereckt in den Pulverdampf, in ihren Gesichtern ein schicksalhaftes Licht, das uns daran erinnert, daß der Kampf nie ganz zu Ende ist, das Feld
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