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Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
Autoren: Alex Marwood
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die andere Seite des Bürgersteigs verkrümeln würden, wenn er sich ihnen anschlösse. Whitmouth ist eine Enttäuschung für ihn. Er hatte erwartet, dass ihm die Welt zu Füßen liegen würde, sobald seine Mutter tot und er in der Lage wäre, sein Schicksal selbst zu bestimmen. Stattdessen ist er ein Voyeur: Er beobachtet, wie andere Menschen sich amüsieren– wie im Fernsehen.
    Ich habe das hier für ein Märchenland gehalten, denkt er, als er die helle Deckenlampe einschaltet. Als ich Kind war. Und wir von Bromwich hierherzogen. Damals waren hier nur Familien: Nachmittagstees, das Gewusel am Landungssteg– ein höheres Gebäude als das Hafengebäude gab es meilenweit nicht. Darum bin ich zurückgekommen: wegen all dieser schönen Momente, all den Erinnerungen, all der Hoffnung. Jetzt traue ich mich kaum, im Vorbeigehen in irgendwelche Ladeneingänge zu schauen, aus Angst, dort Linzi-Dawns angezogene Knie zu sehen und dazwischen die tiefhängende Jeans von Kiefer, der drauflosvögelt. Und ich außen vor, unerwünscht, der ewige Zuschauer.
    Sie hat immer noch nicht geantwortet. Martins Haut kribbelt, als er auf das leere Display starrt. Was glaubt sie eigentlich, wer sie ist?
    Er wirft das Telefon aufs Bett, schaltet den Fernseher ein und schaut sich die schlechten Nachrichten auf BBC an. Verdammt noch mal, Jackie. Du hast kein Recht, mich so zu behandeln. Wenn sich rausstellt, dass du wie alle anderen bist, wieso hast du dann so getan, als wärst du etwas anderes?
    Ein weiterer Schrei auf der Straße. Martin schaltet den Fernseher auf volle Lautstärke. Der Zorn der Zurückweisung kriecht ihm unter die Haut; unsichtbar, auch durch Kratzen nicht wegzukriegen. Sie soll doch nichts weiter tun, als ihm per SMS zu antworten. Er will nicht raus, aber wenn sie sich weigert, ihm zu antworten, wird er es müssen. Seine Mutter hat ihm schon immer versichert, dass Beharrlichkeit die wichtigste Eigenschaft im Leben ist. Und er ist der Beharrlichste von allen.

KAPITEL 2
    Amber Gordon entrümpelt den Schrank für Fundsachen einmal in der Woche. Diese Arbeit macht sie am liebsten von allen. Sie liebt Ordnung, das Verknüpfen loser Enden, auch wenn die losen Enden hier sich niemals zusammenfügen werden, wenn binnen neun Monaten niemand zurückkommt und nach ihnen fragt. Sie genießt die Neugier, das ungestörte Gefühl, im Leben anderer Leute herumzuschnüffeln, wenn sie die Sachen bestaunt – Gebisse, Diamantohrringe, Terminkalender –, deren Besitzer den Verlust entweder nicht bemerkt haben oder meinen, sie seien es nicht wert, ihretwegen noch zurückzukehren. Für die Putzleute von Funnland ist der Sonntagabend fast wie Weihnachten.
    Heute Abend ist die Ausbeute gut. Zwischen den vergessenen Regenschirmen, den Plastiktüten mit Erinnerungsmünzen, den Ein-Geschenk-aus-Whitmouth -Schlüsselanhängern liegen immer wieder echte Schätze. Ein kitschiges vergoldetes Armband mit Anhängern– Herzen, kleine Amor-Figürchen und klimpernde Halbedelsteinsplitter. Ein MP 3-Player, ein Billigteil zwar, keines von diesen Schnickschnackdingern mit Touchscreen, aber funktionsfähig und bereits mit Musik drauf. Eine Riesentüte Haribo. Und eine Telefonkarte für Auslandsgespräche, noch originalverpackt und unbenutzt. Amber lächelt, als sie sie entdeckt. Sie weiß, wem ein langes Telefonat nach Hause guttäte. Danke, vergnügungssüchtiger Fremder, wer immer du bist, denkt sie. Du weißt es vielleicht nicht, aber du wirst heute Abend jemanden in St. Lucia sehr glücklich machen.
    Sie schaut auf ihre Armbanduhr und sieht, dass sie schon fast zu spät zur Teepause kommt. Schließt den Schrank wieder ab, verstaut die Geschenke in ihrer Umhängetasche und hastet durch die in Flutlicht getauchte Halle Richtung Café.
    Moses raucht wieder. Er macht sich irgendwie einen Sport daraus. Er weiß, dass sie es weiß– seit nirgendwo geraucht werden darf, fällt in Innenräumen selbst ein einziger Tabakhauch auf wie Lippenstift auf einem Kragen. Er provoziert sie dennoch gern, beugt die Regeln und wartet ab, was passiert. Sie sind in dieser Angelegenheit zu einem unausgesprochenen Waffenstillstand gekommen. Amber spürt, dass es Schlachten gibt, die zu schlagen sich lohnen, und Schlachten, die verlorene Liebesmüh sind, und diese hier gehört in die zweite Kategorie.
    Außerdem ist er ein guter Arbeiter. Bis die Belegschaft des Cafés am Morgen eintrifft, wird der Boden glänzen, hygienisch sauber sein und nach künstlicher Zitrone duften.
    Als
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