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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman
Autoren: Tanja Kinkel
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gewesen sein; anders war ihr Blick nicht zu erklären, noch die verletzte Art, mit der sie den Kopf abwandte und den Raum verließ.
    Ich schaute Amy nach und ertappte mich dabei, wie ich dachte, dass ein Anflug von Zorn ihr stand. Bei ihrer Hochzeit war sie ein äußerst hübsches junges Ding gewesen, aber in ihrer ständigen Fröhlichkeit zu kindlich für meinen Geschmack und überdies weit mehr an höfischen Festen interessiert als daran, allen Verwandten der Dudleys die Ehre zu erweisen. Jetzt war sie eine erwachsene Frau; der Ärger hatte Farbe auf ihre Wangen gelegt, und die Art, wie sie den Kopf zurückwarf, als sie ging, straffte ihre Brüste und zeigte, was für eine gute Figur sie hatte …
    »Du hast Erfahrung in der Ehe, Vetter«, riss Robin mich aus meinen Gedanken. »Was tust du, wenn Margery dir grollt und du doch überzeugt bist, das Richtige zu tun?«
    Der Name meiner Gattin fiel zur rechten Zeit. Ich bin ein Mann wie andere auch und müsste lügen, wenn ich sagte, dass ich seit unserer Rückkehr aus Frankreich keinem anderen Weib als Margery mit Wohlgefallen nachgeblickt hätte. Aber es bestand doch ein großer Unterschied darin, hin und wieder einem Schankmädchen, einer Kammerzofe oder gar deren Herrin nachzublicken oder sich unangemessene Gedanken über die ehrsame Gattin eines Verwandten zu machen. Amy war von einem Mädchen zu einer schönen jungen Frau geworden, sicher; das sollte in mir bestenfalls einen gewissen onkelhaften Stolz hervorrufen.
    »Ich bete«, entgegnete ich hastig. »Was bleibt uns Männern anderes übrig?«
    »Lügen, Tom, was du gerade wieder ganz überzeugend getan hast!«, spottete Robin.
    Gut, ich hätte auch sagen können, dass Abwesenheit das Herz sanfter stimmt und weder Margery noch ich geneigt waren, uns in ehelichen Zwist zu stürzen, wenn ich sie in Kidderminster besuchte. Nach meiner Heimkehr aus Frankreich hatte ich erwogen, sie und unseren Sohn mit mir zu nehmen, wenn ich in Robins Geschäften in Norfolk, Oxfordshire oder in London unterwegs war, doch meine Gemahlin hatte dies abgelehnt.
    »Tom«, hatte sie erklärt, »ständig unterwegs zu sein wie die Vagabunden, das bekommt dem Jungen nicht. Außerdem bin ich wieder schwanger, und wenn es Vetter Dudley gelingt, wieder ein Amt bei Hofe zu erlangen, dann müssten wir um jeden kleinen Raum in jeder königlichen Residenz kämpfen und würden wahrscheinlich mit allem möglichen Gesindel zusammen untergebracht. Hier in Kidderminster dagegen wachsen sie gesund auf. Hier ist meine Heimat, und auch die deine. Natürlich ist es meine Pflicht als deine Gattin, dir in allem zu folgen, doch es ist auch meine Pflicht, darauf zu achten, das alles für deine Familie zum Besten steht, und das tut es, wenn du uns in Kidderminster lässt, nicht, wenn wir zwischen Norfolk und dem Süden wie dein Reisegepäck hin und her ziehen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
    Und mehr musste sie auch nicht sagen.

    Drei Jahre waren seit jenem Tag ins Land gegangen. Vor zwei Jahren starb Mary, und ihre Halbschwester Elizabeth folgte ihr auf den Thron. Es war, wie ich schon sagte, eine gute Zeit für mich und die Meinen, denn Robin behielt recht: Unsere neue Königin vergaß ihre alten Freunde nicht. Robins Schwester Mall wurde Hofdame, Ambrose wurde Feldzeugmeister, und Robin selbst erhielt das Amt des Oberstallmeisters, was ihn verantwortlich für alles Transportwesen bei Hofe machte, nicht nur für die Pferde. Er war es auch, der ihre Krönung organisierte und der beim Krönungszug direkt hinter ihr ritt. Ja, die guten Zeiten der Dudleys waren wieder zurückgekehrt, und das sprach sich bald bis in die Provinz herum. Margery konnte sich in Worcestershire vor gutwilligen Nachbarn kaum mehr retten, die an unsere Tür klopften und auf einmal ihr Herz für uns entdeckten. Einige hatten mich sogar beschworen, bei der Parlamentswahl für unseren Bezirk zu stehen. Schließlich hatte mein Patron das Ohr der Königin; er war ihr bester Freund, ihre linke Hand, die vielleicht auch bald die rechte werden würde, und ich war der wichtigste Mann in seinem Haushalt.
    Leider blieb es nicht alles, was man sich erzählte, noch blieb »Freund« die Bezeichnung, die der Klatsch für Robin wählte. Die Königin war jung, weitaus jünger als ihre Schwester, und natürlich fragten wir uns alle von dem Moment ihrer Krönung an, wen sie heiraten würde. Dass sie heiraten musste, stand außer Frage. Frauen konnten schließlich keine Königreiche regieren, und
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