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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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steilen Wänden. Ein schmaler Weg führte durch den Einschnitt zwischen den beiden Berggipfeln, und dahinter …
    Ich hörte ein Ächzen und merkte, dass es von mir stammte.
    » Das kann doch nicht dein Ernst sein!«

23
    D er Einschnitt war etwa zwanzig Schritte lang, und dahinter setzte sich der Weg inmitten leerer Luft fort. Ein unverbesserlicher Optimist hätte in diesem Zusammenhang vielleicht von einer Brücke gesprochen, die allerdings allein von den Kräften einer zum betreffenden Zeitpunkt recht launischen Natur geschaffen worden war. Normalerweise sollten Brücken breiter sein und etwas haben, das verhinderte, dass Reisende vom heulenden Wind ins Nichts geschleudert wurden.
    »Du glaubst doch nicht etwa, dass ich dort hinübergehe, oder?«
    Salzleck richtete einen fragenden Blick auf mich. Offenbar sah er keinen Grund zur Sorge und deutete zur gegenüberliegenden Seite.
    »Zuhause.«
    Ich schluckte. Höhenangst kannte ich eigentlich nicht. Aber ich hatte auch keine Angst vor Bären, was nicht bedeutete, dass ich bereit gewesen wäre, meinen Kopf in frisches Fleisch zu wickeln und einem Bären in den Rachen zu stecken. Die Erkenntnis, dass es kein Zurück gab, machte dies nicht leichter.
    Estrada und ich folgten Salzleck bis zum Ende der Spalte. Der Riese stapfte einfach weiter, als mache es keinen Unterschied, ob er zwischen Felswänden oder über einen schmalen Steg ging, zu dessen beiden Seiten ein tiefer Abgrund gähnte. In weniger als einer Minute erreichte er die Mitte der Brücke, wo er stehen blieb und zurücksah, um festzustellen, ob wir ihm folgten. Die Brücke war so schmal, dass er kaum Platz genug hatte, sich umzudrehen, wobei Steine über den Rand in die Tiefe fielen.
    Ich sah ihnen nach und begriff, wo wir uns befanden. Die Brücke überspannte einen Streifen des tief unten brodelnden Ozeans, der unseren Berghang von der Landmasse weiter vorn trennte. Dort erstreckte sich das Reich der Riesen, verborgen in diesem isolierten Gebirge und nur durch diese schmale Brücke mit dem Rest der Welt verbunden. Steil ragte das Massiv vor uns auf, wie der Wall einer gewaltigen Festung, von schäumendem Wasser umspült. Ringsum erstreckte sich das Meer blau bis zum Horizont.
    »Folgen?«
    Allein Salzlecks Stimme ließ die Brücke erbeben.
    »Nicht so laut!«, erwiderte ich.
    Er nickte und winkte.
    Ich sah Estrada an, in der Hoffnung, dass sie den Anfang machen wollte. Aber sie blickte nur mit verschränkten Armen und einem bösen Lächeln auf den Lippen zurück.
    »Verstehe. Na schön.«
    Ich schloss die Augen und trat vor.
    Dann begriff ich, dass ich mit geschlossenen Augen auf einem schmalen Felssteg über einem tiefen Abgrund stand, und rasch hob ich die Lider wieder.
    Der Wind war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Sein unentwegtes Zerren war mehr lästig als gefährlich. Der schwierige Teil betraf den Blick. Zuerst konzentrierte ich mich auf Salzleck, aber das bedeutete, dass ich nicht sah, wohin ich trat. Als ich nach unten blickte, bemerkte ich, wie groß der Unterschied zwischen Hintergrund und Vordergrund war, und dabei wurden mir die Beine weich. Ich sank auf Hände und Knie und zwang mich, möglichst ruhig zu atmen.
    Die Furcht, dass mich ein besonders enthusiastischer Windstoß von der Brücke werfen konnte, setzte sich schließlich gegen den Schwindel durch. Erneut richtete ich den Blick auf Salzleck, der auf der anderen Seite stand und wartete. Ich setzte mich wieder in Bewegung und kroch so langsam, dass mich ein Säugling überholt hätte. Nach einer halben Ewigkeit wagte ich einen richtigen Schritt, und als ich daraufhin nicht in die Tiefe stürzte, probierte ich es mit einem zweiten.
    Danach ging es schneller, doch als ich das Ende der Brücke erreichte, starrte mich Salzleck trotzdem so an, als wäre ich verrückt. Er hatte sein ganzes Leben hier oben verbracht und wusste vermutlich gar nicht, was Schwindel war.
    Diesem Gedanken folgte sofort ein zweiter. »Sind wir da?«
    Salzleck deutete mit der Hand. Die Spalte auf dieser Seite war breiter, und aufgrund des leichten Gefälles konnte ich ihr Ende nur von hier aus sehen. Wo die Felswände zu beiden Seiten fast senkrecht in die Höhe ragten, versperrte eine Palisade den Weg. Salzleck schien davon überrascht zu sein, was bedeutete, dass sie noch nicht sehr alt sein konnte. Offenbar hatte sein Volk Moaradrids Besuch zum Anlass genommen, die Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken.
    Ich schaute zurück und beobachtete, wie Estrada
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