Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Netz der Meister (German Edition)

Im Netz der Meister (German Edition)

Titel: Im Netz der Meister (German Edition)
Autoren: Carla Berling
Vom Netzwerk:
Thesen zu thematisieren und sich immer wieder mit neuen Namen neue Identitäten zu schaffen, unter denen man immer wieder mit denselben Leuten kommunizierte, die immer wieder ihre Namen wechselten.
    Es hatte auch keinen Sinn, ständig auf der Suche nach etwas Neuem, nach neuer erotischer Erfahrung, neuen Grenzen, einem neuen Mann oder einem neuen Kick oder beidem zu sein. So ein Irrsinn , dachte Simone.
    Ihr Entschluss stand fest: Heute war Schluss. Sie würde es durchziehen, jetzt und sofort.
    Sie legte ihr Profil still und löschte den Mail-Account, der ihr als diskrete Tarnadresse gedient hatte. Sie löschte im Telefonbuch ihres Handys alle Telefonnummern, die mit Love.Letters zu tun hatten, löschte alle Anruflisten und leerte den Speicher der SMS-Mitteilungen. So. Das war geschafft. Sie lehnte sich erleichtert in ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Dieser Teil ihres Lebens war abgeschlossen. Jetzt zählte nur noch die Zukunft.

Rule

    Die Schmerzen in den Handgelenken waren unerträglich. Sie hatte kein Blut mehr in den Händen, sie würden absterben, dessen war Simone sicher.
    Rule. Dieses Schwein. Er hatte sie noch einmal gefesselt und war hinausgegangen. Einfach gegangen. Er würde sie hier verrecken lassen. Das war sein Plan. Natürlich. Sie würde nicht rauskommen aus dieser Nummer.
    Mein Gott, wie spät mochte es sein?
    Sie hatte kein Zeitgefühl.
    »Hilfe!«
    Ihre Zunge klebte dick am Gaumen und erstickte den Ruf. Die Kerzen waren ein ganzes Stück heruntergebrannt. Wachs tropfte auf den schwarzen Teppich und bildete dort bizarre Muster.
    Simone schrie auf, als sich Rules Silhouette aus dem Dunkel neben der Tür löste.
    Er war da. Sie war nicht allein. Er hatte sie nicht zurückgelassen. Sie nahm ihre Kraft zusammen.
    »Rule, mach mich sofort los!«
    Er antwortete nicht, kam schweigend auf sie zu und blieb dicht vor ihr stehen.
    Meine Güte , dachte Simone, der hat seit Stunden diese Maske auf, dem muss der Schweiß in Strömen am Kopf runterlaufen.
    Sie wusste nicht, dass der Mann sich jedes Mal, wenn er den Raum verließ, die Maske vom Kopf zerrte.
    Etwas in ihr bäumte sich auf, mobilisierte Reserven, irgendwelche, irgendwoher.
    Sie würde wütend, so wütend, dass sie stark wurde, sich gerade machen, sich straffen konnte, Rückgrat zeigen wollte, musste, und dass ihre Stimme hoch und schrill klang.
    »Rule, bitte! Was tust du? Mach dich nicht unglücklich, bitte! Wir haben das so nicht abgesprochen. Ich muss nach Hause, binde mich los. Das ist nicht in Ordnung, was du hier machst. Aber ich verspreche dir, dass ich dich nicht anzeige, ich vergesse das alles einfach, es ist ein Absturz, eine abgerutschte Session, du hast die Kontrolle verloren, das kann doch mal passieren, natürlich, das passiert doch jedem mal, denkst du ich verstehe das nicht? Wenn du mich frei lässt, gehe ich nach Hause, und wir tun so, als wären wir uns nie begegnet, ja? Rule? Ja?«
    Stille. Nur Atmen.
    »Rule, antworte mir! Verstehst du kein Deutsch? Verdammt, du Arschloch, antworte mir!«
    Sein Schweigen machte sie noch wütender und noch stärker, sie hatte jetzt unglaubliche Kräfte.
    »Du kannst aufhören mit der Schweigenummer, ich will nicht mehr, ich breche ab, hörst du? Wir haben kein Codewort vereinbart, das war meine Schuld. Ich gebe ja zu, das war meine Schuld. Ich hätt’s dir sagen müssen. Mein Codewort ist rot. Rot! Rule, rot!«
    Rule blieb reglos. Nur an seinen flackernden Augenlidern war zu erkennen, dass er keine Statue war, sondern ein lebendiger Mensch.
    Simone schrie: »Verdammte Scheiße, du Arschloch, lass mich hier raus, ich brülle gleich, ich schreie, ich schreie das ganze Haus zusammen. In dieser Spießergegend wird es nicht lange dauern, bis jemand die Polizei ruft. Hilfe! HILFE! Mein Mann wird dich finden, er sucht mich, Rule, ja natürlich, er wird mich finden, du perverser Spinner, mein Mann hat die Polizei verständigt, jaja, ich hatte ihm diese Adresse gegeben, er weiß, dass ich hier bin. Die Adresse liegt auf dem Küchentisch in einem Umschlag, Rule, in einem Umschlag, ja, und wenn ich bis Mitternacht nicht angerufen habe, dann macht mein Mann den Umschlag auf, jaja, und dann kommt er her, er ist sicher schon auf dem Weg. Schau auf deine Uhr Rule, wie spät ist es? Ist es Mitternacht?«
    Langsam fasste Rule in die Tasche seiner Lederjacke und zog einen Ballknebel heraus.
    Simone tobte und strampelte in ihren Ketten, als er ihr den roten Kunststoffball in den Mund
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher