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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman
Autoren: Nagel & Kimche AG
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Einer von denen, die dazu geboren scheinen, zwischen Schriftstücken zu sterben. Das Urteil folgt Caterinis Argumentation nicht, es ist sehr nüchtern, doch relativ milde.
    Khaled Ghezal wird des Raubes, des unerlaubten Waffentragens und versuchter Nötigung für schuldig befunden. Vom Delikt des versuchten Mordes und des unerlaubten Waffenbesitzes wird er freigesprochen, niedere Motive, die strafverschärfend wirken könnten, werden ausgeschlossen. Caterini macht geltend (begründet es aber miserabel), dass die beiden Schüsse eine nicht absehbare Folge des Raubes waren.
    Der Richter fügt schließlich hinzu, das jugendliche Alter, das Fehlen von Vorstrafen und der legale Aufenthalt in Italien können als generell strafmildernd gewertet werden.
    Sechs Jahre Haft, wegen des beschleunigten Verfahrens auf vier herabgesetzt.
    Der Anwalt des jungen Paares, das als Nebenkläger auftritt, legt Berufung ein. Er erklärt das Urteil für lächerlich, es sei ein Beweis für die Regel «wenig Beweise, geringe Strafe», die jeder vergessen sollte, sobald er einen Gerichtssaal betritt.
    Elisabettas Eltern, sie sind ebenfalls Nebenkläger, drängen darauf, dass auch die Staatsanwaltschaft in Berufung geht. Sie schreiben einen langen Brief an den Corriere della Sera , der den Fall aufgreift.
    Khaleds Anwalt beantragt seinerseits Berufung und fordert einen Freispruch oder zumindest Strafminderung.
    Mailand ist in Aufruhr. Die rechtsorientierten Zeitungen werten die Ereignisse als typisch für eine linksgerichtete, duldsame und unfähige Justiz. Es folgen Versuche der Selbstkritik in gutem Glauben oder wider besseres Wissen, Erklärungen politischer Kommentatoren und Meinungsumfragen auf mehreren Lokalsendern.
    Die Staatsanwaltschaft legt Berufung ein und auch der Oberstaatsanwalt, vor allem aus verfahrenstechnischen Gründen, und sie verlangen eine Verurteilung für alle Straftaten.
    So weit, so gut.
    Doni hatte bei alldem nur zwei Gewissheiten: dass er der Oberstaatsanwalt war und dass er die besten Chancen auf Erfolg hatte.
    Mehr gab es nicht zu sagen.

6
    ZUNÄCHST WOLLTE ER zu den Kreuzgängen der alten Fondazione Umanitaria gleich hinter dem Justizpalast. Es war ein kühler, angenehmer Ort, und Doni war seit Monaten nicht mehr dort gewesen. Doch dann entschied er sich für eine Studentenbar hinter der Sormani-Bibliothek. Weit genug entfernt, um irgendwelchen Begegnungen und Gerüchten über diese Signorina aus dem Weg zu gehen. Nicht dass ihm das viel ausgemacht hätte, doch Gerüchte erfordern Zeit, um sie wieder aus der Welt zu schaffen, und Zeit vergeudete er ohnehin schon zu viel.
    Sie setzten sich an einen Tisch in der Nähe der Tür. Elena bestellte einen Hamburger und eine Coca-Cola, Doni ein Käsebrötchen und eine kleine Flasche stilles Wasser.
    «Was ich Sie noch fragen wollte», sagte er zu der jungen Frau. «Von wem haben Sie eigentlich meine E-Mail-Adresse?»
    «Die? Ach, Adressen hacken ist inzwischen meine Spezialität. Man braucht nur ein paar Kombinationen auszuprobieren: Vorname Nachname, Vorname Punkt Nachname, Anfangsbuchstabe des Vornamens Punkt Nachname und so weiter. Wenn sie falsch ist, kommt die Mail zurück. Außerdem habe ich bei einem Freund nachgefragt, der bei der Zeitung für die Gerichtsberichte zuständig ist.»
    Doni zog die Brauen hoch.
    «Das ist ein Klassiker», sagte Elena. «Das machen wir alle so. Irgendwie muss man ja an seine Kontakte kommen, oder? Wenn ich was an eine Zeitschrift schicken will, was mache ich da wohl, schicke ich es an info@irgendwas ? Nein, ich hacke den Namen des stellvertretenden Chefredakteurs.»
    «Ich dachte, ihr habt Datenbanken.»
    «Datenbanken.» Sie lächelte. «Warum auch nicht. Ich bin einunddreißig Jahre alt und freie Journalistin, Dottore. Um über die Runden zu kommen, habe ich einen Teilzeitjob in einer Mondadori-Buchhandlung in Lambrate. Es ist schon viel, wenn ich überhaupt ein paar Artikel veröffentlichen kann, von wegen Datenbanken.»
    Doni dachte über ihre Worte nach. Mit einunddreißig war er bereits Amtsrichter gewesen.
    Die Kellnerin brachte die Brötchen. Doni schraubte die Flasche auf und goss etwas Wasser in sein angeschlagenes Glas. «Zurück zu uns. Sie wollen also, dass ich einige Leute anhöre, die Ghezals Unschuld bezeugen könnten, richtig?»
    «Ja, genau.»
    «Dann erzählen Sie mal.»
    «Nun, kurz nach dem Vorfall habe ich einen Artikel für eine Gratiszeitung geschrieben, für die ich manchmal arbeite. Eine halbe Seite, die
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