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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis
Autoren: Andreas Schramek
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jeden Morgen gemeinsam mit meinem Vater die Sänfte, um sich zum Unterricht tragen zu lassen. Während mein Vater immer nochmals zu mir zurückblickte und mir zulächelte, ließ der Stolz meiner Schwester eine derartige Gefühlsregung nicht zu. Ich glaube, damals gewöhnte sie sich den strengen, ernsten Blick an, den sie ein Leben lang beibehielt. Sie legte auch immer großen Wert darauf, mit dieser Miene abgebildet zu werden. Sie nannte das «würdevoll».
    Meine Schwester nahm den Unterricht im Palast sehr ernst, aber von ihr war nicht viel zu erfahren. Da es mir als kleinem Jungen erlaubt war, mich in den Frauengemächern aufzuhalten, war dies die einzige Möglichkeit, um meine Schwester zu belauschen. Meiner Mutter und unserer Amme erzählte sie fast alles: wie freundlich Prinz Amenophis zu ihr sei, wie kräftig er sei, und dass er am schnellsten und schönsten schreiben könne. Teje stellte meiner Mutter natürlich auch viele Fragen, da sie manches, was sie im Palast sah, nicht richtig deuten oder einschätzen konnte. Ihr größtes Problem war die Kleidung der königlichen Gemahlinnen, der Prinzessinnen und der übrigen Hofdamen: Warum trug Tante Mutemwia nur ein Diadem mit zwei Gazellenköpfen, Königin Iaret aber die hohe Doppelfederkrone und die Uräusschlange? Welche Hofdame durfte wann rechts, links oder hinter der Königin gehen – und warum? Und welche Prinzessin welcher Nebenfrau des Großen Gottes war die bedeutendste?
    Wenn dies nicht unbedingt Fragen waren, die einen Jungen meines Alters interessierten, blieb mir doch nichts anderes übrig, als mir alles anzuhören, um auch die Dinge zu erheischen, die mir elementar erschienen. So erfuhr ich immerhin, dass Prinz Amenophis als jetzt Zwölfjähriger nicht weniger als sechs schwarze und vier weiße Pferde sein Eigen nannte, dass er bereits einen eigenen Jagdwagen besaß und von diesem ausin der Wüste schon drei Strauße erlegt hatte! Meine Jagderlebnisse beschränkten sich bislang auf den Fang einiger Salamander in unserem Garten.
    Ich war mir sicher, dass zwischen dem Delta und dem zweiten Katarakt kein Ägypter lebte, der über die königliche Familie so gut Bescheid wusste wie ich.
    Leider gab es Monate, da passierte gar nichts: Mein Vater und meine Schwester blieben zu Hause, da sich der Hof mit allen Prinzen und Prinzessinnen in Merwer, am Rande der Oase Fajum, aufhielt. Dort, im Norden der Stadt, befand sich ein Palast mit Säulenhallen, Vorratsräumen und prächtigen Gärten.
    Hier wurden die Kinder des Guten Gottes von Sobekhotep, der aus der Oase stammte und Bürgermeister des südlichen Sees und des Sees von Sobek war, unterrichtet. Während der Abwesenheit des Guten Gottes verwaltete Sobekhotep den königlichen Landsitz.
     
    Endlich, nachdem ich das zwölfte Lebensjahr erreicht hatte und Teje dreizehn Jahre alt geworden war, erhielt ich die entscheidende Mitteilung, auf die ich so lange gewartet hatte. Ich spielte gerade in unserem Garten, als mich meine Amme ins Haus rief. Ohne nähere Erläuterung wurden mir die Haare geschnitten, meine Seitenlocke wurde auf das Sorgfältigste geflochten und geölt. Danach musste ich ein ausgedehntes Bad nehmen, und die Nägel der Hände und Füße wurden mir gekürzt. Zuletzt legte man mir einen neuen Schurz an. Schließlich stand ich vor meinem Vater. Er hielt sich in seinem Arbeitszimmer auf und diktierte seinem Schreiber Dinge, von denen ich nichts verstand. Während ich noch regungslos, nach frischem Salböl duftend, in der Türe stand, ging mein Vater langsam sprechend im Zimmer auf und ab. Immer im selben Moment, in welchem mein Vater kehrtmachte, tauchteder Schreiber die Binse in die Farbe, um danach mit einer neuen Zeile zu beginnen, als mein Vater gerade wieder loslief. Ich fand dies auf das Höchste erheiternd und kicherte leise vor mich hin. Nie und nimmer hätte ich geglaubt, dass mein Vater davon Notiz nehmen würde, doch plötzlich blieb er auf der Hälfte seines Weges vor mir stehen, drehte sich zu mir um und sagte: «Damit ist morgen Schluss, mein Sohn!»   –, machte wieder eine halbe Drehung und ging diktierend weiter. Es dauerte noch eine ganze Weile, ehe er den Schreiber mit weiteren knappen Anweisungen entließ.
    Nun wandte er sich endlich mir zu.
    «Gut», gab er murmelnd von sich, während er mich von oben bis unten musterte wie einen Rekruten.
    «So sieht ein ägyptischer Junge aus, der ab morgen zum Unterricht mit in das Große Haus kommen darf! So gefällst du mir!»
    Der Satz
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