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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange
Autoren: carmen lobato
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schon wieder fortging, sie wollte ihn Tag und Nacht lieben, um die Jahre zu heilen. »Kannst du nicht einmal selbstsüchtig sein und meine Familie vergessen?«, fragte sie. Natürlich wollte sie, dass ihre Angehörigen Bescheid wussten, aber sie hätte gern gewartet, bis das Kind da war und sie zusammen reisen konnten.
    »Ich bin selbstsüchtig«, sagte er. »Ich will dich heiraten, und so blöd zu warten bin ich nicht noch einmal.«
    Sie unternahm keinen weiteren Versuch, ihm zu sagen, dass er die Zustimmung ihres Vaters nicht brauchte, weil das vollkommen sinnlos war. Was immer er sich beweisen musste, er hatte verdient, dass sie es ihn tun ließ.
    Das Kind würde vor Ende des Sommers geboren werden, und ihr Leib kam ihr jetzt bereits gewaltig vor. Auch sei der Schmerz, der sie ab und an durchfuhr, kein gutes Zeichen, hatte Carmen gesagt. Sie müsse sich schonen. Also saß sie die meiste Zeit über auf einem Stuhl auf der Veranda und sah dem Leben um sie zu. Die Menschen im Haus begegneten ihr mit höflicher Scheu. Sie brauchten Zeit, und das war Katharina recht, weil sie auch Zeit brauchte.
    An einem glutheißen Tag Anfang Juli kam Benito zurück und brachte Felice mit. So beschwerlich das Laufen mit dem geblähten Leib ihr wurde, sprang Katharina auf, sobald sie die beiden am Hang erkannte, und rannte ihnen entgegen. Als sie Benitos Gesicht sah, das stille Leuchten in den Augen, wusste sie, dass er sein Stück Frieden hatte machen dürfen und dass die Reise jeden Augenblick wert gewesen war. Er hob Felice vom Pferd und schob sie in Katharinas Arme. »Sie war nicht zu halten«, sagte er. »Sie wollte um jeden Preis zu dir.«
    Vermutlich war Benito der einzige Erwachsene in Santa María de Cleofás, der nicht bemerkte, dass Felice bis über beide Ohren in ihn verliebt war. Nichtsdestotrotz war Felice selig, Katharina wiederzuhaben, und Katharina war selig, weil sie das Vertrauen des Mädchens nicht verloren hatte. Es war der erste Abend, an dem sie nach dem Essen noch lange auf der Veranda beisammensaßen und ihrer Neugier aufeinander Raum gaben. Xavier spielte Gitarre, und Benito wiegte Katharina, die zum Tanzen zu schwerfällig war, mit dem sinnlichen Schmelz der Musik. Glück stand ihm. Sie fieberte dem Augenblick entgegen, in dem sie ihn in ihrer Schlafkammer für sich allein hatte, und doch genoss sie die verstreichenden Stunden. Wieder zu Menschen zu gehören. Wieder Teil von einem Ganzen zu sein.
    Und selbst ein Ganzes zu sein. Zwei Hälften, die verschmolzen. Als sie allein waren, liebte er sie mit der Unbändigkeit und dem Übermut eines Mannes, der seiner selbst ganz sicher war, und am Morgen schickte Carmen ihn vor den Waldsaum, um Niederholz abzuhauen, wo sie ein weiteres Feld urbar machen wollten. Alle Männer sollten das ab und an tun, dachte Katharina, die zusah, wie er sich mit der Axt verausgabte und wie das Hemd über seinem Rücken spannte. Sie haben dann weniger Kraft, sich zu prügeln, und für Frauen ist es ein himmlischer Anblick.
    Er erzählte ihr von der Hauptstadt, die einem einzigen gigantischen Festplatz glich, und von Martina und Felix, die sie besuchen kommen wollten. Von ihrer Familie erzählte er ihr zaghaft und nur auf ihr Drängen. Sie seien alle wohlauf und hätten die Schlacht um die Stadt mit bemerkenswerter Courage überstanden. »Nein, alle sind nicht wohlauf«, sagte er. »Und ich habe mich wieder einmal wie ein Idiot benommen. Die Frau deines Vetters trug deine Großtante auf dem Rücken herum. Ich habe sie gefragt, ob ich ihr die Tote abnehmen soll, und sie hat geschrien und sie fallen lassen. Sie hatte wohl nicht bemerkt, dass sie gestorben war.«
    Katharina musste lachen, ging zu ihm und küsste seinen Nacken. »Nein, du hast dich nicht wie ein Idiot benommen. Nur wie einer, der vor dem Leben nicht so viel Angst hat wie meine Verwandten. Haben sie dich also ins Haus gelassen? Haben sie … haben sie nichts Schlimmes getan?«
    Er hielt inne, legte die Axt beiseite und setzte sich auf einen Baumstumpf. »Nein«, sagte er. »Nein, gar nichts, Ichtaca. Von deinen Vettern war nur Stefan da, und deine Mutter hat sich in größtmöglichem Abstand von mir an die Wand gedrückt. Sie sahen alle ein bisschen aus, als hätte jemand einen Berglöwen in ihre Stube gelassen, aber wir haben uns höflich zugehört, uns nicht an den Haaren gezogen und uns nicht vor die Füße gespuckt. Dein Onkel Fiete hat angeboten, mir ein Lehrwerk zur Alphabetisierung zu borgen, mit dem vermutlich auch
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