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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman
Autoren: Carla Federico
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Ausschau zu halten und sich zu fragen, was sie mit einem fremden Rotzbengel zu schaffen hatte.
    Der Hafenarbeiter runzelte seine Stirn noch mehr. Kurz schien es Elisa, dass sich seine Mundwinkel zu einem gutmütigen Lächeln verziehen wollten, doch ehe er sich entschied, den beiden Kindern Glauben zu schenken, schaltete sich der grimmige Lambert Mielhahn wieder ein: »Glauben Sie ihnen kein Wort! Um eine Ausrede ist das Diebespack doch nie verlegen.«
    »Aber ich habe nicht …«, setzte Leopold an.
    »Lambert, es ist doch nicht so wichtig«, stammelte die schüchterne Frau an seiner Seite. Nun, da sie sie aus der Nähe sah, nahm Elisa den müden Zug um ihre Augen wahr, die dunklen Wülste darunter, die herabhängenden Schultern. Alt war sie noch nicht, aber eine Jugend, in der sie gelacht und getanzt und sich des Lebens erfreut hatte, schien Ewigkeiten zurückzuliegen. Die beiden Kinder schmiegten sich noch enger an sie. Es waren ein Knabe mit dunklen Augen, die feucht glänzten, als wäre er den Tränen nahe, und ein Mädchen, das so zart war, dass man meinen konnte, ein einziger Windstoß würde genügen, um es umzufegen. Es hatte dünnes Haar, so blond, dass es fast weiß glänzte.
    Lambert Mielhahn achtete weder auf seine Frau noch auf Leopold, sondern wandte sich nun an Elisa. Er musterte sie so verächtlich, als wäre es ein schweres Verbrechen, die Schwester eines Jungen zu sein, den er für einen Dieb hielt. Dass sie seinem Blick standhielt und nicht das geringste Anzeichen von Furcht erkennen ließ, schien ihm nicht zu imponieren, sondern noch griesgrämiger zu stimmen. Das ermutigte sie nur, umso stolzer den Rücken zu straffen und umso entschiedener den Nacken zu recken.
    »Ha!«, stieß er plötzlich aus und deutete auf die Kette, die Elisa um den Hals trug. »Woher hat sie solch edlen Schmuck? Der kann nicht ihr gehören! Gewiss ist sie eine Diebin wie ihr Bruder und hat ihn gestohlen!«
    Elisas Hand fuhr an das Schmuckstück.
    Die Kette ihrer Mutter.
    Seit Generationen war diese ein Familienerbstück, das die Frauen der von Grabergs ihren Töchtern vermachten.
    »Die wirst du nicht behalten können«, hatte die alte Zilly gespottet, ehe sie abgereist waren. Zilly war eine ihrer Mägde gewesen, die sich hingebungsvoll um die Kühe gekümmert hatte. Stets hatte Zilly nach Milch und Stall gerochen, auch wenn sie gerade nicht dort schuftete. Doch eines Tages hatten alle Tiere die schreckliche Klauenseuche bekommen, waren eins nach dem anderen verreckt, und der Vater hatte laut geklagt, warum Gott sie so erbarmungslos geißelte. Bis dahin hatte er immer die Fassung bewahrt. Zilly hatte auch geklagt, ja, hatte geweint wie ein Kind. Verloren war sie im Kuhstall auf und ab gewandert und hatte nicht verstanden, warum ihre vertraute Welt innerhalb weniger Tage eine andere geworden war. Doch auch wenn sie Richard von Grabergs Verzweiflung teilte, hatte sie nicht verstanden, warum er schließlich die Auswanderung beschlossen hatte. Mit üblen Geschichten lag sie Elisa in den Ohren – über jemanden, der den gleichen Plan gehegt hatte, dann aber wochenlang am Hafen auf die Einschiffung habe warten und schließlich seinen ganzen Besitz habe verkaufen müssen, um sich durchzubringen. »Und so wird es euch auch ergehen«, hatte sie gemahnt. »Am Ende gibst du die Kette deiner Mutter für ein Stück Brot her!«
    Niemals!, hatte Elisa gedacht, und auch jetzt reagierte sie wütend. »Was fällt Ihnen ein!«, herrschte sie Lambert Mielhahn an.
    Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, dass Leopold nicht länger trotzig blickte, sondern grinste. Der Gehilfe des Hafenmeisters blieb hingegen ernst – und ratlos. Mehrmals huschte sein Blick zwischen Elisa und Lambert hin und her.
    »Kannst du mir erklären, warum du etwas so Teures besitzt?«, fragte er schließlich unbehaglich.
    »Und warum sollte ich?«, fuhr Elisa auf. »Ich habe nichts Unrechtes getan, ich habe nur …«
    Ihr Satz endete in einem empörten Aufschrei. Unbemerkt war Lambert Mielhahns Hand vorgeschnellt, hatte den schimmernden Anhänger ihrer Kette umfasst und sie mit der Absicht, das Schmuckstück genauer anzuschauen, von ihrem Hals gerissen. Elisa fühlte einen stechenden Schmerz in ihrem Nacken – vor allem aber blinde Wut, als sie ihren kostbarsten Besitz in dieser klobigen Hand sah. Prüfend hielt Lambert Mielhahn die Kette gegen das Sonnenlicht und schnalzte mit der Zunge, nachdem er zum Schluss gekommen war, dass sie aus echtem Gold bestand.
    »Wie
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