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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman
Autoren: Carla Federico
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das Flehen auf. »Und wir … wir gehören zu den Auswanderern!«
    Cornelius zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich würde wirklich gerne helfen. Doch ich habe nicht den passenden Schlüssel.«
    Er deutete auf das Schloss.
    Der Knabe stampfte wieder trotzig auf; das Mädchen biss sich auf die Lippen, offenbar um nicht zu zeigen, wie nahe sie den Tränen war.
    »Aber ich kann jemanden suchen!«, beteuerte er schnell. »Beschreibt mir doch, wie der Mann aussah, der euch hier eingesperrt hat!«
    Als er wenig später wieder ins Freie trat, war er mutlos. Männer, die mal hier oder da zupackten, die die Auswanderer herumscheuchten, die Kisten verluden oder lediglich darüber wachten, gab es zuhauf. Wie sollte er den Betreffenden finden, nachdem obendrein die Beschreibung der beiden sehr ungenau ausgefallen war?
    »He, Sie!«, rief er schließlich kurz entschlossen einem Mann zu, der damit beschäftigt war, die Auswanderer in einer langen Reihe zu ordnen.
    »He, Sie!«, wiederholte er, als der Mann nicht auf ihn hörte, und legte diesmal mehr Gewicht in seine Stimme. Endlich drehte sich der Mann um, doch seine Stirn war abweisend gerunzelt, als Cornelius sein Anliegen vorbrachte. Ob er selbst die beiden eingesperrt oder zumindest von einem Kollegen davon gehört hatte, ließ sich nicht erkennen.
    »Hab damit nichts zu schaffen!«, beschied er Cornelius knapp.
    »Aber man kann doch Auswanderer nicht einfach hier festhalten, schon gar keine Kinder! Wenn ihre Eltern …«
    »Nun, Sie schauen mir nicht wie ein Vater aus«, meinte der Mann, und sein Blick glitt abfällig über Cornelius’ Gestalt. Er war großgewachsen, aber schmächtiger als viele der hart arbeitenden Männer hier.
    »Nun hören Sie …« Cornelius sah den Schlüsselbund, der am Gürtel des Mannes klapperte. »Gerade weil es nicht Ihre Sache ist, können Sie doch einfach aufsperren, und …«
    Er kam nicht weiter. Eine Stimme unterbrach ihn, schnaufend und ungeduldig. »Cornelius!«, rief sein Onkel, so klagend, als hätte er ihn auf dem Sterbebett im Stich gelassen. »Was treibst du denn? Denkst du gar nicht an mich?«
    Cornelius fuhr herum. Pastor Zacharias’ Gesicht war noch eine Spur röter und aufgedunsener als vorhin.
    »Lässt mich in der Sonne sitzen!«, quengelte er. »An einem Herzschlag hätte ich sterben können!«
    Es klang nicht so, als wäre dies seine schlimmste Befürchtung. Lieber tot umfallen als in die Wildnis gehen, hatte er schon vor Wochen verkündet. Doch sein Leib war zu wohlgenährt, um ihm diesen Gefallen zu tun.
    »Du musst mir helfen, Onkel«, sagte Cornelius hastig.
    »Du lässt mich einfach allein, und …«
    »Onkel Zacharias!«, unterbrach Cornelius ihn scharf, und weil er nur selten so streng mit ihm sprach, verstummte Pastor Zacharias augenblicklich und starrte ihn mit weit geöffneten Augen an. »Onkel, da drinnen sind zwei arme Seelen gefangen«, begann Cornelius und deutete auf die Lagerhalle. Erfahrungsgemäß erhielt man mehr Aufmerksamkeit von ihm, wenn man nicht von Menschen, sondern von armen Seelen sprach. Und erfahrungsgemäß wurde er umso hellhöriger, wenn man übertrieb. »Schlimmes Unrecht hat man ihnen angetan. Sie drohen zu verdursten und sind schon ganz schwach. Das junge Fräulein ist noch tapfer, aber ich weiß nicht, wie lange sie noch aushält.«
    Cornelius schlug sich pathetisch mit der Faust auf die Brust, um aus einer unangenehmen Lage eine nahezu tragische zu machen. Es wirkte sofort. Entsetzen breitete sich in Zacharias’ Gesicht aus, wenngleich ihm der Verzicht auf Wasser nicht so bitter schien wie der auf Wein. Er schmatzte sehnsüchtig.
    »Warten Sie!«, rief Cornelius, als der Hafenarbeiter, den er angesprochen hatte, sich schweigend zum Gehen wandte. »Mein Onkel ist Pastor. Zacharias Suckow ist sein Name. Und er kann bezeugen, dass die beiden Gefangenen treue und rechtschaffene Schäfchen seiner Gemeinde sind.«
    Der Mann drehte sich um; er blickte zweifelnd, genauso wie nun auch Zacharias.
    »Kann ich das wirklich?«, fragte er unsicher.
    Cornelius nickte entschlossen. »Ja, du kannst!«, sagte er so streng wie vorhin.
    Prompt glättete sich die gerunzelte Stirn des Pastors. »Natürlich kann ich!«, meinte er.
    »Es ist nämlich so«, wandte sich Cornelius eifrig an den Hafenarbeiter, »die beiden gehen jeden Sonntag zum Gottesdienst.«
    »Wirklich jeden!«, rief Zacharias.
    »Und auch ihre Eltern sind ehrbare, strebsame und bescheidene Christenmenschen!«
    »Sehr strebsame!«,
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