Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)

Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)

Titel: Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
Autoren: Andrea Russo
Vom Netzwerk:
mehrmals mit der Pfote übers Maul, springt vom Tisch und aus dem Fenster. Ich beobachte, wie er den Garten durchstreift und wieder auf seinem bevorzugten Ast Platz nimmt, ohne mich aus den Augen zu lassen. Ich bin immer noch so dermaßen überrascht über seinen Besuch, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen bin, ihn aufzuhalten. »Caruso«, rufe ich nun leise und versuche, meine Stimme möglichst zärtlich klingen zu lassen. Aber all meine Versuche, ihn wieder zu mir in die Küche zu locken, schlagen fehl. Er bleibt bewegungslos sitzen.
    Wie er wohl den Weg zu mir gefunden hat? Ein verrückter Zufall wird es bestimmt nicht gewesen sein. Ob Bens Eltern ihn etwa doch in meinem Garten ausgesetzt haben, weil sie ihn genauso wenig ausstehen konnten wie ich? Ich weiß, es ist kindisch, aber tief in mir habe ich es dem kleinen Fellknäuel damals übel genommen, dass Ben so dermaßen leichtsinnig sein Leben für ihn aufs Spiel gesetzt hat. Caruso war als kleines Kätzchen ja noch ganz süß und putzig, aber je älter er wurde, desto eigenwilliger verhielt er sich. Genau das liebte Ben allerdings an dem Kater. Er wollte kein Haustier, das vor ihm kuscht und für eine Leckerei seine Seele verkaufen würde. Ein Hund wäre für ihn niemals infrage gekommen.
    Caruso hatte sozusagen in der Beziehung zu Ben die Hosen an, wenn man das so sagen kann. Und ich hatte dabei überhaupt nichts mehr zu melden.
    Wenn ich Ben besuchte, durfte ich mich nicht mehr auf den Sessel in seinem Zimmer setzen, auf dem ich es mir sonst immer gemütlich gemacht hatte. Caruso maunzte jedes Mal so lange herum, bis ich genervt aufstand, damit er sich darauf breit machen konnte. Irgendwann sah ich es ein und wagte keinen neuen Vorstoß mehr. Daraufhin schien der Kater das Interesse am Sessel zu verlieren. Bis ich den Versuch unternahm, mich eines Tages wieder darauf niederzulassen, und das Rumgemaunze aufs Neue begann.
    Nur einmal hat Ben den Kater mit zu uns nach Hause mitgebracht. Das Biest hatte sich frech auf meinen Sessel gelegt – wie nicht anders zu erwarten gewesen war –, als wir uns einen Kaffee in der Küche kochten. Ich hatte damit gerechnet und vorsorglich ein altes Handtuch als Unterlage auf die Sitzfläche gelegt. Als wir aber zurück ins Zimmer kamen, lag das Handtuch auf dem Boden und Caruso in meinem Bett. Der Sessel war ihm anscheinend zu ungemütlich erschienen. Kurz darauf fand ich auch den Grund dafür heraus. Katzenpisse riecht fürchterlich streng. Und fast genauso schrecklich wie das scharfe Reinigungsmittel gegen Urinstein, das meine Oma früher immer benutzt hat.
    Ich war stinksauer, weil der Mistkater einfach auf meinen Sessel gepinkelt hatte. Befand ich mich etwa schon wieder in einer Dreieckskonstellation, wie zuvor mit Lisa? Aber diesmal war ich mir sicher, den Kürzeren zu ziehen. Also machte ich gute Miene zum bösen Spiel, wusch Carusos Hinterlassenschaft kommentarlos aus und bestand darauf, dass Ben in Zukunft ohne ihn hier aufkreuzte.
    Bens Mutter Karin mochte den Kater auch nicht wirklich, wie sie mir damals anvertraute, nachdem ich ihr von Carusos absichtlicher Pinkelattacke erzählt hatte. Sie kam nicht klar mit den vielen Katzenhaaren, die Caruso geschickt in der ganzen Wohnung verteilte. Außerdem hatte er die Angewohnheit, Karin schlicht und ergreifend zu ignorieren, so wie mich auch. Anscheinend durften sich nur Männer dem Kater nähern. Wenn Ben nicht zu Hause war, machte es sich Caruso neben Bens Vater auf der Couch bequem, was Karin überhaupt nicht gefiel.
    Aber jetzt, wo Ben nicht mehr da ist, würde Karin den Kater doch bestimmt behalten wollen, überlegte ich. Zumindest hätte sie ihn nicht einfach so ausgesetzt …
    Es hilft alles nichts, ich muss sie anrufen. Bei dem Gedanken macht sich auf der Stelle ein mulmiges Gefühl in mir breit. Nach Bens Beerdigung war ich noch ein paar Mal bei Karin und habe versucht, ihr ein wenig Trost zu spenden. Aber danach ging es mir selbst immer sehr schlecht. Zudem steckte ich mitten im Examen und musste viel lernen. Also stellte ich meine Besuche ein. Vorerst, wie ich mir sagte. Vor drei Monaten hat Karin mich angerufen. Sie wollte einfach wissen, wie es mir geht. Und dann bot sie mir an, mich in Bens altem Zimmer umzuschauen. Vielleicht würde ich etwas finden, an dem mein Herz hing und das ich an mich nehmen wollte. Sie würde sich jedenfalls freuen. Aber ich hatte Angst davor, mich dieser Situation zu stellen. Ich sagte Karin, ich würde mich wieder melden, wenn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher