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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder
Autoren: Brigitte Aubert
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ja! Anfangs hat man keinen Zusammenhang zwischen den einzelnen Morden gesehen, aber jetzt …«
    »Hat man eine Spur? Gibt es irgendwelche Hinweise?« fällt ihr Yvette ins Wort, die eine begeisterte Krimileserin ist.
    Dem Tonfall ihrer Stimme nach zu urteilen, verzieht Catherine die Große verächtlich das Gesicht:
    »Wo denken Sie hin! Die tappen im dunkeln. Wie die hier«, fügt sie hinzu und kneift mich in die Wade.
    Yvette muß sie wohl mißbilligend angesehen haben, denn Catherine die Große korrigiert sich auf der Stelle:
    »Na, jedenfalls macht sie Fortschritte, das ist doch toll!«
    Yvette läßt sich nicht ablenken:
    »Aber, sagen Sie mal, Michael Massenet, war das nicht dieser hübsche kleine Junge, der im Kulturzentrum Klavier gespielt hat?«
    »Ja, genau der. Sehr höflich, sehr weit für sein Alter …«
    Sie unterhalten sich noch eine Weile über dieses Thema, und ich passe auf, daß mir nichts entgeht. Michael Massenet, acht Jahre, Schüler der Klasse CE2 am Charmilles, der neuen Schule in der Siedlung. Der Vater ist Fahrlehrer, die Mutter Sekretärin. Guter Schüler, intakte Familie. »Sicher ist der Verbrecher ein Sadist«, meint Yvette abschließend.
    Jetzt liege ich in meinem Bett. Yvette hat den Fernseher ausgemacht. Es muß elf Uhr abends sein. Gegen drei Uhr morgens kommt sie, um zu sehen, ob mit mir alles in Ordnung ist: Kein Durst, Pipi machen, warm genug …? Heilige Yvette. Ich hoffe, daß dir mein Vormund wenigstens ein anständiges Gehalt überweist. Mein Onkel wurde zu meinem Vormund bestimmt. Mein Onkel Fernand, der Bruder meines verstorbenen Vaters. Er leitet eine Baufirma in der Nähe von Nizza und ist das, was man einen ehrenwerten Mann nennt.
    Aber das ist jetzt nicht wichtig. Das Gesprächsthema des Tages ist dieser Mordfall. Wir haben die Zwanziguhrnachrichten gehört. Glücklicherweise läßt mich Yvette bei sich, wenn sie ein Thema fesselt, denn so kann sie ihre Überlegungen jemandem mitteilen. Natürlich wurde über den kleinen Massenet gesprochen. Erwürgt. Man stellte eine Verbindung zu anderen, viel länger zurückliegenden Verbrechen her, die im Umkreis von fünfzig Kilometern begangen wurden: Victor Legendre, 1991 in Valencay erwürgt aufgefunden; Charles-Eric Galliano, 1992 in der Nähe von Noisy erwürgt aufgefunden; Renaud Fansten, 1993 im Garten seiner Eltern in Saint-Quentin erwürgt aufgefunden. Keiner dieser Morde konnte bisher aufgeklärt werden. Darüber hinaus, so betonte der Sprecher, sei jeder dieser Fälle von verschiedenen Abteilungen untersucht worden: In den beiden ersten Fällen war die Gendarmerie zuständig, im dritten die Kriminalpolizei. Kurzum, aufgrund des Mordes an Michael Massenet wird die ganze Geschichte wieder aufgerollt. Yvette konnte gar nicht aufhören, sich über die Polizei und Triebtäter, bei denen man am besten eine Lobotomie vornehmen sollte, lautstark und ausdauernd zu ereifern.
    In der Ferne ruft ein Käuzchen. Ich würde mich so gern umdrehen, ich habe es satt, auf dem Rücken zu liegen. Eine Nacht auf dem Rücken, eine Nacht auf der Seite, Jedesmal stützt Yvette mich mit Kopfkissen ab, legt mir Kissen zwischen die Knie und die Knöchel, so wie Raybaud es ihr empfohlen hat, um zu verhindern, daß ich mich wundliege. Es muß ganz schön nervig sein, mich Abend für Abend so hinzubetten. Stop, ich will nicht schon wieder in Selbstmitleid verfallen! Also hat die Kleine die Wahrheit gesagt. Mehrere Kinder sind umgebracht worden, von denen eines, angeblich, ihr Bruder ist. Das ist schrecklich. Ich kann verstehen, daß sie das alles jemandem erzählen muß. Aber ich finde die Gleichgültigkeit, mit der sie von diesen Morden gesprochen hat, ziemlich beunruhigend. Sie muß sehr durcheinander sein … Ich würde sie gerne Wiedersehen … nun, ich wollte sagen … sie wiederhören. Charmilles? Ist das nicht der Name der Schule, in die sie geht? Dieser große Glasbau, umrahmt von Bäumen, die erst noch wachsen müssen?
    Ich war gerade eingenickt, als mich ein komischer Gedanke wieder aufschrecken läßt. Woher wußte die kleine Virginie überhaupt von Michael Massenet? Sie hat eindeutig gesagt: »Und seit gestern Michael, er liegt am Flußufer.« Doch Catherine die Große hat erklärt, daß der Leichnam erst heute gegen Mittag gefunden wurde. Wie hat die Kleine das heute morgen um zehn Uhr schon wissen können?
    Weil sie ihn gesehen hat. Sie hat den Leichnam gesehen.
    Oder den Mörder.
    Deshalb wußte sie Bescheid. Sie ging dort vielleicht
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