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Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)

Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Robert Walser
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intelligente, seitenlange Gespräch weg und der Commis wieder er selbst. Das ist sicher, ein Commis ist äußerst verwandlungsfähig. Er kann rebellieren und gehorchen, fluchen und beten, sich winden und trotzen, lügen und die Wahrheit sagen, schmeicheln und aufprotzen. In seiner Seele finden die mannigfaltigsten Empfindungen so gut Platz wie in den Seelen anderer Menschen. Er gehorcht gern und widersetzt sich leicht. Für letzteres kann er jedesmal nichts; (Ich wiederhole mich zwar nicht gern, aber:) – denn gibt es etwas Sanfteres, Willigeres, Gerechteres auf Erden als ihn? Für seine Bildung ist der Commis besorgt und wie! Den Wissenschaften, den zeitraubenden Wissenschaften widmet er einen großen Abschnitt seines Lebens, und er würde sich gekränkt fühlen, wollte man leugnen, daß er auch hierin ebenso gut glänze, wie in Dingen seines eigenen Faches. Obgleich Meister in seinem Fach, schämt er sich, es zu zeigen. Diese schöne Gewohnheit führt ihn manchmal sogar so weit, daß er lieber ein Dummkopf als ein Überlegener erscheinen will, was ihm oft unverdiente, vorschnelle Rügen zuzieht. Aber was schadet das einer stolzen Seele!

Gelage
    Die Welt und das Wirkungsfeld eines Commis ist das enge, schmächtige, karge, trockene Bureau. Die Werkzeuge, mit denen er meißelt und schafft, sind Feder, Bleistift, Rotstift, Blaustift, Lineal und allerhand Zinstabellen, die sich einer näheren Beschreibung gerne entziehen. Die Feder eines rechtschaffenen Commis ist meist recht spitz, scharf und grausam. Die Schrift ist meist sauber, nicht ohne Schwung, ja, sogar manchmal zu schwungvoll. Beim Ansetzen der Feder zaudert ein tüchtiger Commis einige Augenblicke, wie um sich gehörig zu sammeln, oder wie um zu zielen wie ein kundiger Jäger. Dann schießt er los, und wie über ein paradiesisches Feld fliegen die Buchstaben, Worte, Sätze, und ein jeder Satz hat die anmutige Eigenschaft, meist sehr viel auszudrücken. Im Korrespondieren ist der Commis ein wahrer Schelm. Er erfindet im raschen Fluge Satzbildungen, die das Erstaunen von vielen gelehrten Professoren erwecken dürften. Aber wo sind diese süßen Schätze echt volkstümlicher Sprachbegabung? Einfach untergegangen! An Commis dürfen sich unbescheidene Dichter und Gelehrte wohl sanft ein Beispiel nehmen. Sie sind es, die Dichter namentlich, die hoffen, mit jedem Sprachfetzen, den sie absetzen, berühmt und entschädigt zu werden. Wie viel edler und reicher ist da die Handlungsweise und das Benehmen der Commis, die, so ärmlich sie auch äußerlich auftreten mögen, doch einen Reichtum besitzen, der wahrhaft üppig genannt zu werden verdient. Reich sein heißt noch lange nicht, in den Augen der oberflächlichen Welt als reich erscheinen. Und wahrhaft arm sein heißt, reich scheinen müssen, wenn man alle Merkmale einer kargen und bösen Armut in sich trägt. Dies ist offenbar zugunsten unseres diesjährigen Günstlings, des Handelscommis, gesprochen, aber verdient er es etwa nicht? Ein guter Rechner und Haushalter ist der Commis ohne allen Zweifel. Ihr Frauen, warum macht ihr euch nicht beizeiten an solche Männer? Ein guter Rechner ist meistens ein guter Mensch, das beweist ein Commis zehnmal im Tag. Spitzbuben und Landstreicher können ihr Lebtag keine Addition ordentlich erfüllen. Exakt zu rechnen ist einem liederlichen Menschen rein unmöglich. Man sieht das meistens an Künstlern, die ich so ziemlich alle für liederlich halte. Wenn ich den Commis vor Augen habe: wer vermöchte da noch zu bestehen? Ein Commis versteht in der Regel sieben bis acht Sprachen recht perfekt. Er spricht spanisch wie ein Spanier und deutsch wie er selber. Ist dagegen irgendeine spöttische Einwendung zu machen? Im Notieren seiner Einnahmen und Ausgaben, seiner Empfindungen und Beobachtungen, seiner Gedanken und Einfälle ist der Commis einzig. Er kann dergleichen bis ins Lächerliche treiben. Sonst aber findet jeder Wohlwollende nur Schönes und Nachahmenswertes an ihm. Die Welt, worin der Commis arbeitet, ist eng, seine Werkzeuge sind kleinlich, seine Tätigkeit verschwindet wesentlich vor andern Tätigkeiten. Nun sagt, ist das etwa kein hartes Schicksal?

Ein neuer Gesellschafter
    Der verehrte Leser gestatte, daß ich ihm ein Exemplar aus meiner Handelsmenagerie vorstelle. Es ist ein Commis von ungefähr zwanzig Jahren, einer von den hoffnungsvollsten. Sein Eifer und Fleiß haben noch keinen Schlag von der Tücke der Zeit erlitten. Sein Streben in allen nützlichen Sachen blüht
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