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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers
Autoren: Nina Blazon
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ein­ge­nickt sein, denn als er die Au­gen öff­ne­te, stand der Die­ner vor ihm.
    »Herr Ra­vin!«, sag­te er lei­se. »Die Kö­ni­gin wünscht Euch so­fort zu se­hen. Ihr müsst Euch be­ei­len, wir ha­ben nicht viel Zeit!«
    Über ei­ne brei­te, ge­schwun­ge­ne Trep­pe ge­lang­ten sie in den Teil der Burg, der nach Ra­vins Ver­mu­tung der Ost­flü­gel sein muss­te. End­lich, nach ei­ner lan­gen Rei­he von ein­sa­men Gän­gen, be­tra­ten sie den be­leb­te­ren Teil der Burg. Mit ei­nem Mal war Ra­vin froh das wei­ße Ge­wand zu tra­gen. Der Bo­den, den sie be­tra­ten, war so blank po­liert, dass er sich dar­in spie­gel­te. In Grüpp­chen stan­den Men­schen aus ver­schie­dens­ten Tei­len Tjärgs zu­sam­men und un­ter­hiel­ten sich lei­se. Al­le schie­nen auf ei­ne Au­di­enz zu war­ten. Die Ge­sand­ten aus Lom er­kann­te Ra­vin an ih­ren ro­ten Ro­ben. Am En­de des Raum­es war­te­ten die Wald­men­schen. Als sie Ra­vin ent­deck­ten, ho­ben sie die Hän­de zum Gruß, den er höf­lich er­wi­der­te. Die­ner stan­den mit großen Map­pen un­ter dem Arm bei den Ge­sand­ten, frag­ten, nick­ten und tru­gen die Ant­wor­ten dann auf Bö­gen aus teu­rem Pa­pier ein. Ra­vin sah auch ei­ne Jä­ge­rin aus Ta­na. Ihr Haar war kurz ge­scho­ren, Or­na­men­te wa­ren in die Haut ih­res Hal­ses und die Ar­me ge­sto­chen. Sie war­te­te so be­we­gungs­los, als wür­de sie nicht at­men, vor ei­ner Säu­le. Als hät­te Ra­vins Blick sie be­rührt wie ei­ne Hand, wand­te sie plötz­lich den Kopf. Graue Au­gen mus­ter­ten ihn.
    »Hier ent­lang, Herr Ra­vin!«
    Er riss sich von dem un­ge­wohn­ten Bild los und ging wei­ter. Die vie­len Men­schen be­un­ru­hig­ten ihn. Völ­ler Sor­ge frag­te er sich, ob die Kö­ni­gin für sein An­lie­gen ge­nug Zeit ha­ben wür­de – wenn es nicht oh­ne­hin schon zu spät war. An den Gang, der zum Thron­saal führ­te, er­in­ner­te sich Ra­vin sehr gut, eben­so an die Holz­tür mit den wel­len­för­mi­gen, sil­ber­nen In­tar­si­en. Als die Tür­wäch­ter Ra­vin und den Die­ner kom­men sa­hen, grif­fen sie zu den Klin­ken, die die Form von Pfer­de­köp­fen hat­ten, und zo­gen die schwe­ren Flü­gel auf.
    Ra­vin zö­ger­te, doch dann nahm er sei­nen Mut zu­sam men, hol­te tief Luft und trat ein. Licht blen­de­te ihn. Ü ber­wäl­tigt blieb er ste­hen und sah sich um.
    Der Thron war ein Kunst­werk aus Sil­ber und Glas, ver­ziert mit Edel­stei­nen, die das Licht in ih­ren Far­ben re­flek­tier­ten. Hun­der­te von fla­ckern­den Ker­zen lie­ßen den un­wirk­li­chen Schein über die Wän­de und den Tep­pich aus ge­färb­ter Ran­jög­wol­le tan­zen, der durch den Saal reich­te. Mit Sil­ber­fä­den war dar­in die Ge­schich­te des Tjärg­lan­des ein­ge­webt, be­gin­nend bei dem Kampf um die Stein­burg, die einst der ers­te Herr­scher­sitz ge­we­sen war und heu­te nur noch als Rui­ne im Wald stand, bis zu den Tjärg­pfer­den, die die Tä­ler durch­wan­der­ten. Kö­ni­gin Ga­nis und ihr Sohn, der spä­te­re Kö­nig Gis­lan, wa­ren dar­ge­stellt, eben­so die La­ger der Wald­men­schen, die vor vie­len Ge­ne­ra­tio­nen aus den Süd­ber­gen ein­ge­wan­dert wa­ren.
    Die Kö­ni­gin stand an ei­nem der Fens­ter, die bis zum Bo­den reich­ten, und blick­te auf den Tjärg­wald. Als sie das Räus­pern des Die­ners hör­te, dreh­te sie sich um und lä­chel­te Ra­vin zu. Er er­rö­te­te vor Ver­le­gen­heit. Sie war äl­ter, als er sie sich vor­ge­stellt hat­te. Ihr lan­ges Haar war noch dun­kel, doch an den Schlä­fen und über der Stirn zo­gen sich wei­ße Sträh­nen durch die Haa­re, die sie im Nacken ver­kno­tet und ge­floch­ten trug. Ihr hell­grü­nes Ge­wand ließ ih­re Haut hell und durch­schei­nend aus­se­hen. Um ih­re Stirn lag ih­re Kro­ne, ein dün­ner Sil­ber­reif oh­ne jeg­li­chen Schmuck. An ei­nem Schwert­gurt trug sie das sil­ber­ne Zier­schwert mit den blau­en Kris­tal­len aus den Süd­mi­nen, Zei­chen ih­rer Kö­nigs­wür­de. Jo­lon hat­te ihm er­zählt, dass sie noch ein rich­ti­ges Schwert be­saß, das we­ni­ger präch­tig, doch viel ge­fähr­li­cher war. Die Vor­stel­lung ver­wun­der­te ihn.
    Er senk­te den Blick, ver­beug­te sich, wie man es ihm
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