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Im Bann Der Herzen

Im Bann Der Herzen

Titel: Im Bann Der Herzen
Autoren: Jane Feather
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Langsam atmete er auf. Miss Gray kam mit einem Arm voller Krankengeschichten auf Karteikarten herein. Erstaunt blickte sie um sich.
    »Der Aktenschrank, Doktor«, sagte sie. »Er muss verschwunden sein.«
    »Vielleicht hat er eine Verkleidung bekommen. Wie der Hutständer.«
    »Hm, möchte wissen, wie«, sagte die Frau, der ein kleines Lachen im Hals steckte. »Es macht einen neugierig ... wirklich. Tut mir Leid, Herr Doktor, aber ...« Sie konnte nicht mehr an sich halten, ließ die Karteiblätter auf den Schreibtisch fallen und schüttete sich aus vor Lachen. Nach einer Weile konnte auch Douglas in dieser absurden Situation nicht mehr an sich halten und lachte mit. Der Raum hallte von ihrem Heiterkeitsausbruch wider.
    »Ach, du liebe Güte«, sagte Miss Gray schließlich und wischte mit ihrem Taschentuch über die Augen. »Keine Ahnung, was in mich gefahren ist, Herr Doktor. Ich weiß gar nicht, wann ich jemals so lachen musste.«
    »Mir hat es auch gut getan«, japste er. Es hatte ihm gut getan, und zwar in mehr als nur einer Hinsicht. Er fühlte sich geläutert. Keine Bitterkeit, keine Rachegelüste, nicht einmal ein Quäntchen Kränkung waren geblieben. Er wusste jetzt genau, was er wollte - zwar hatte er es schon lange gewusst, jetzt aber wusste er genau, was er tun musste, um es zu kriegen.
    Er wartete, bis Miss Gray, die sich noch eine Lachträne von der Wange tupfte, gegangen war. Dann zog er ein Schubfach auf, nahm einen Briefbogen heraus und tauchte seine Schreibfeder ins Tintenfass. Das Schreiben brachte er sehr sorgfältig in Druckbuchstaben zu Papier, um es mit einem gänzlich unleserlichen Gekritzel zu unterschreiben. Er trocknete die Tinte, faltete den Bogen zusammen und steckte ihn in einen Umschlag, auf den er mit derselben Sorgfalt in Druckschrift die Adresse von Mrs. Beedles Eckladen schrieb.
    »Mir scheint, ich werde nie damit umgehen können«, beklagte sich Prudence, während sie mit zwei Fingern die Tastatur der Schreibmaschine bearbeitete. »Mein B wird immer N.«
    »Und ich bin nicht sicher, ob meine Gedanken so schnell dahinfliegen können wie mit einer Schreibfeder«, sagte Constance und lehnte sich auf ihrem Stuhl am Schreibtisch in den neuen Räumen von The Mayfair Lady zurück.
    »Man muss sich an die neue Technik einfach gewöhnen.«
    Chastity schob den Wagen mit munterem Klingeln zurück. »Ich glaube, ich habe den Trick heraus. Und man beantwortet damit die Trost-und-Rat-Briefe viel rascher. Vielleicht bin ich auch nicht so intellektuell wie ihr.«
    »Was für ein Unsinn«, antwortete Prudence. »Du bist einfach anpassungsfähiger.«
    »Das bezweifle ich«, meinte Chastity mit winzigem Achselzucken und fuhr mit ihrer Tipperei fort.
    Constance streckte und bog Hände und Gelenke. »Zeit für das Mittagessen«, sagte sie. »Als berufstätige Frauen haben wir drei Anrecht auf eine Mittagspause.«
    »Einverstanden«, sagte Prudence und sprang auf. »Versuchen wir mal das kleine Café in der Fleet Street. Dort sieht man vor allem Zeitungsleute. Ich möchte zu gern sehen, wie sie reagieren, wenn wir auftauchen.«
    »Prue, das geht nicht«, widersprach Constance. »Wir würden zu sehr auffallen. Gehen wir lieber ins Swan and Edgar.«
    »Ihr zwei könnt gehen«, sagte die noch immer flott tippende Chastity. »Mein Hunger ist nicht sehr groß. Ich möchte das hier zu Ende bringen und mit dem Omnibus zu Mrs. Beedle fahren. Seit einer Woche haben wir keine Post abgeholt.«
    Dabei drehte sie sich gar nicht um, so dass ihre Schwestern nur ihren Hinterkopf sahen. »Aber du musst doch etwas essen, Chas«, mahnte Constance.
    »Merkwürdig, aber ich muss nicht«, erwiderte ihre jüngste Schwester. »Ihr zwei geht allein.«
    Prudence sog nachdenklich an ihrer Unterlippe. Sollte man sich mit Gewalt den Weg durch den undurchdringli c hen Schutzwall bahnen, den Chastity um sich hochgezogen hatte? Nein, ratsam war es nicht. Sie sah Constance an, die nur nickte und ihren Mantel vom Haken nahm.
    »Sollen wir dir etwas mitbringen, Chas?«, fragte sie. »Vielleicht etwas Suppe?«
    »Nein, ich esse nachher Speckkuchen bei Mrs. Beedle«, antwortete Chastity, noch immer, ohne sich umzudrehen. »Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr mit ihr geschwatzt.«
    »Na schön. Bis später.« Prudence und Constance verließen das Büro und sagten kein Wort, bis sie auf der Straße standen.
    »Ich mache mir ihretwegen Sorgen«, gestand Constance.
    »Ich weiß. Mir geht es ebenso. Aber ich bin ratlos, was man tun
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