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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Autoren: Christoph W. Bauer
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Betrieb einzustellen. Zudem sind in manchen Städten, auch in Innsbruck, die Bürger zur Anschaffung von Ledereimern verpflichtet und müssen unter den Dächern ihrer Häuser stets mit Wasser gefüllte Bottiche bereithalten. Bei Androhung von schwerer Strafe ist es verboten, mit offenem Feuer zu hantieren. Einmal wird einer, bei dem ein Brand ausgebrochen ist, vor den Stadtrat geladen – beim Baden sei es passiert, bekundet der Bürger. Und wird für schuldig befunden, leichtfertig gehandelt und dadurch die ganze Stadt in Gefahr gebracht zu haben.
    Was geschieht mit ihm?
    Er muss mehrere Tage ins Gefängnis, schlimmer noch, er verliert das Bürgerrecht, was im Grunde seinen Ruin bedeutet.
    Das Vorgehen des Stadtrates ist doch völlig überzogen!
    Dann hör dir an, was das Haus, in dem du täglich deine Zigaretten kaufst, erzählt, es gehört im Winter 1737/38 einem Hans Malleprey. Damals wütet wieder einmal ein Brand auf der linken Innseite, zahlreiche Häuser werden zerstört, so auch das des Hans Malleprey. Dass die Stadtoberen von ihren Bürgern nicht nur fordern, sondern dass es schon zu jener Zeit eine Art Sozialfonds gibt, lässt das Haus in der Innstraße 63 wissen – Malleprey werden zum Wiederaufbau seiner Behausung vom Hofschreiberamt 50 Stämme Holz zur Verfügung gestellt.
    13
    Steig mal wieder hinauf auf den Stadtturm und schau dir die Altstadtdächer an! Sofort wird dir auffallen, dass sie jeweils an den Häuserfronten durch eine waagrecht verlaufende Mantelmauer verdeckt werden. Das ist aber nicht dem Geschmack der hiesigen Baumeister zuzuschreiben, sondern der Baustil wurde verordnet. Dass die Regierung um 1500 auch anderen österreichischen Ländern diese Art der „Inspruggerischen verborgenen Dächer“ empfiehlt, liegt schon in einer Vorschrift aus dem Jahr 1340 begründet. Die ist der eigentliche Grund, dass sich hier Graben- und Satteldächer durchsetzen. Damals nämlich hatte der Landesfürst aus Angst vor immer wieder ausbrechenden Bränden verfügt, dass an den Häusern keine vorspringenden Giebeldächer angebracht werden dürfen.
    Neben baulichen Maßnahmen kommt der Brandsignalisierung eine wichtige Rolle zu. Die Städte organisieren Feuerwachen, die sich aus Stadttürmern und etlichen Stadtwächtern zusammensetzen. Deren Aufgabe ist es, bei Ausbruch eines Brandes mit der Sturmglocke Alarm zu schlagen und den Feuerhahn oder die Fahne in die Richtung des Brandherdes zu stellen, nachts dient eine Laterne als Signal. Bei Zimmerbränden wird in Innsbruck dreimal, bei Großfeuern sechsmal geläutet, im Sommer hat der Stadttürmer achtzehn, im Winter sechzehn Stunden pro Tag seinen Dienst zu versehen.
    Türmer, wie werden sie bezahlt?
    Sie sind Angestellte der Stadt. Wien zum Beispiel leistet sich ab 1444 einen Türmer in St. Stephan. Die Türmerstube am Südturm dient ab Beginn des 16. Jahrhunderts als Beobachtungspunkt der Brandwache, die verrichtet dort ihren Dienst bis ins Jahr 1955. Ob man dem Wiener Türmer wie seinem Innsbrucker Kollegen die sonderbare Verpflichtung verordnet, darauf zu achten, dass die Wächter nüchtern zum Dienst erscheinen, weiß ich nicht.
    Wie meinst du das?
    Es gibt da die Geschichte von einem Innsbrucker Kontrolleur, der es mit den Dienstvorschriften nicht so genau nahm und unerlaubterweise seinen Posten verließ. Kalt war ihm, verständlich, spricht doch die Geschichte von einer Novembernacht und von einem nahen Wirtshaus, in dem sich der Türmer ein wenig aufwärmen wollte. Ausgerechnet während seiner Abwesenheit kam ein Trupp vornehmer Herren auf das Stadttor zugeritten, lange Zeit klopften die Reisenden vergebens ans Tor, bis ihnen endlich von einem Mann geöffnet wurde, dessen Fahne eindeutig auf Alkoholkonsum schließen ließ. Am nächsten Tag erstatteten die Herren Anzeige. Der Wächter wurde vor die Stadtoberen zitiert, nach kurzer Beratung abgeurteilt. Unverzüglich musste er die Dienstkleidung aushändigen, den schwarzen Rock, die weißen Strümpfe und den Pelz für den Winter; hernach sollte er sich nach Hause begeben, um die Vorbereitungen für seine Abreise zu treffen.
    Wie? Wurde er denn –
    Binnen vierzehn Tagen hatte der Wächter mit Frau und Kind die Stadt zu verlassen. Die Gefahr und die Angst vor Feuerkatastrophen sind derart enorm, dass den Stadtoberen kaum Handlungsspielraum bleibt, um nicht vor der Bevölkerung das Gesicht zu verlieren, wo doch jeder einzelne Bürger per Gesetz zur Brandvereitelung herangezogen wird. Kaum eine
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