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Illusion - das Zeichen der Nacht

Illusion - das Zeichen der Nacht

Titel: Illusion - das Zeichen der Nacht
Autoren: Arena , Javier Pelegrin
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betrachtete Armand sein bescheidenes kleines Theater voller Stolz. »So hätten wir es von Anfang an machen sollen.« Mit dem Handrücken strich er über die Falten des Vorhangs. »Wenn man solche Leute dazu bringen will, dass sie einem glauben, tut man am besten so, als wollte man sie reinlegen.«
    »Eine plumpe Inszenierung, um von einer kleinen Täuschung abzulenken«, sagte Argo erfreut. »Ja, das könnte bei einer Agmar-Zauberin funktionieren. Für Lügen haben die Medu einen siebten Sinn, schließlich leben sie von nichts anderem.«
    Armands Brauen hoben sich ein wenig und sein Blick wanderte zum Fenster. Durch dessen dicke, unregelmäßige Scheiben fiel das fahle Licht des Wintermorgens herein.
    Es schien Argo zu irritieren, dass der junge Mann plötzlich nicht mehr bei der Sache war. »Was ist?«, fragte er und folgte Armands Blickrichtung. »Gibt’s ein Problem?«
    Armand blinzelte kurz. »Pardon«, sagte er dann lächelnd. »Wir Magier haben den Tick, die Beleuchtung zu prüfen, bevor die Vorstellung beginnt.«
    »Lass den Unsinn!« In dem fast leeren Raum klang Argos Stimme wie ein rissiger Kontrabass. »Worauf warten wir noch? Wir sollten endlich mit der Anrufung beginnen«, fügte er hinzu, während er den Blick über das Fresko schweifen ließ.
    »Wie du meinst.« Armand fasste Argo am Unterarm und führte ihn auf die Bühne hinauf. »Du stehst hier ganz hinten, vor dem Spiegel. Sie wird nur einen hellen Fleck sehen, winzig klein. Aber sie ist eine Medu-Prinzessin. Das wird reichen, um sie stutzig zu machen.«
    Armand ließ den alten Wächter einfach stehen und machte mehrere Schritte rückwärts, wie ein Künstler, der sein Werk betrachten will und den besten Blickwinkel dafür sucht. »Perfekt.« Mit schräg gelegtem Kopf sah er Argo an. »Du kannst anfangen, wenn du so weit bist.«
    Die Flügel des alten Mannes entfalteten sich in ihrer ganzen Spannbreite und peitschten die Luft mit ihren verkohlten Federn.
    Armand wich zurück und starrte mit geöffnetem Mund auf die beiden noch immer majestätischen Flügel, die jetzt in eine Wolke aus Staub und Asche gehüllt waren. Argo, der Meister des Bewusstseins, hatte begonnen, eine uralte, unverständliche Formel aufzusagen. Der Klang seiner Worte wurde nach oben getragen, um gleich darauf wieder herabzuschwingen wie eine Welle und in tausend unmenschliche Echos zu zerschellen.
    Ein Magier hätte dem rituellen Spruch, der aus einer bereits untergegangenen Welt stammte, Beachtung geschenkt. Ein Magier hätte versucht, ihn sich einzuprägen, um sich etwas von dessen Macht anzueignen und ihn bei passender Gelegenheit selbst anzuwenden.
    Aber Armand hörte nicht zu. Entsetzen verdüsterte seine Miene und er stierte wie hypnotisiert geradeaus. Er konnte den Blick nicht von diesen beiden Flügeln wenden, nicht von den unzähligen verkohlten Augen, mit denen sie übersät waren, schwarz wie versengtes Holz – die blinden, stummen Überreste einer erloschenen Macht, die dazu bestimmt war, nie mehr wiederzukehren.

Kapitel 2
    J ana saß auf dem Balkon mit Blick auf den Canal Grande und schaute gedankenverloren dem Vaporetto nach, das laut knatternd in Richtung Riva degli Schiavoni davonfuhr und im grünblauen Wasser eine weiße Spur zurückließ. Auf dem Marmortischchen neben ihrem Korbsessel stand ein Silbertablett mit einer leeren Kaffeetasse und einer angebissenen Scheibe Toast.
    Es war feuchtkalt und ungemütlich. Sie schlug den Kragen ihrer Lederjacke hoch und ließ die Augen von dem Vaporetto zu den Fenstern eines Luxushotels am gegenüberliegenden Ufer wandern.
    Nieve hatte wirklich ein Gespür für die passende Unterbringung. Von dem Palazzo aus, den sie gemietet hatte, ganz in der Nähe der Rialtobrücke, hatte man einen fantastischen Ausblick, einen der besten der ganzen Stadt.
    Jana seufzte. Ihre frühere Feindin war jetzt zwar sehr freundlich zu ihr, trotzdem war ihr nicht ganz wohl dabei, Nieves Gast zu sein. Eigentlich hatte sie die Reise nach Venedig mit Alex machen und ein Apartment nur für sie beide mieten wollen. Natürlich nichts so Luxuriöses wie den Renaissancepalast der Wächter, aber das wäre auch nicht nötig gewesen. Wenn Alex mitgekommen wäre, hätte die Aussicht auf die Stadt keine so große Rolle gespielt.
    Aber leider hatte Alex für die Osterferien andere Pläne gehabt, die ihr allerdings vorgeschoben erschienen waren. Vor allem verstand sie immer noch nicht, warum er nicht bei der Übergabe des Gefangenen dabei sein wollte, zumal
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