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Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Titel: Ihr Auftritt, Mr. Pringle!
Autoren: Nancy Livingston
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Dame selbst war Rupert keineswegs übermäßiger
Schmeichelei verfallen — er hatte eine reife Frau porträtiert, deren
Erfahrungen — nicht alle glücklich — Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen
hatten. Sie stand ein wenig rechts im Vordergrund des Bildes und schien in die
Zukunft zu deuten, aber die etwas dunklere Vergangenheit hinter ihr war
markanter. Das Bild gab dem Betrachter das Gefühl, er müsse selbst entscheiden,
ob er dorthin gehen solle, wohin ihr Finger zeigte — in diesem Fall durch die
Tür in die Galerie — , oder ob er sich besser in die Erinnerung zurückzog.
    Alle sagten zu Rupert, er habe
sich selbst übertroffen. Selten hatte ihn ein solches Gefühl der Befriedigung
erfüllt. Es war vollbracht und gut. Sobald dieser offizielle Besuch beendet
war, würde er sein kostbares Gemälde in einer Londoner Galerie ausstellen. Das
würde sich mit dieser Publizität bestimmt als Reisepaß zu saftigeren
Weidegründen erweisen.
     
     
    Montag, 2. April 1984, 17.57:00
Uhr
    Auf den Monitoren änderte sich
die Szene wieder. Dorothy, von Schmerzen gepeinigt, saß unbeweglich da und
starrte auf die Bilder. Um sie herum hielt die Hysterie an. Würde sie
überleben?
    «Noch drei Minuten bis zur
Sendung», krächzte Artemis, «drei Minuten!» Dorothy griff nach ihren Krücken.
Als Christopher dies sah, rief er die Worte aus, auf die alle so verzweifelt
gewartet hatten: «Gehen wir rüber.»
     
     
    Montag, 2. April 1984, 17.57:15 Uhr
    Im Grünen Raum, zwischen Maske
und Garderobe, warteten jene selbstbewußt, die im Programm auftreten sollten.
Einer von ihnen, ein sanft blickender Mann von Anfang Sechzig, lehnte zum
wiederholtenmal den ihm angebotenen Drink ab. Tatsächlich hätte Mr. Pringle
gern einen Tee getrunken, aber das war offenbar nicht möglich. Erstaunt
beobachtete er, wie die anderen Gäste Glas für Glas kippten. Wollten die etwa
bewußtlos vor die große britische Öffentlichkeit treten? Bei dem Gedanken an
die Millionen Zuschauer zitterten Mr. Pringle die Knie.
    Außer Tee wollte er ganz
dringend seinen Programmbeitrag erörtern, aber er konnte niemanden finden, der
auch nur im geringsten daran interessiert war. Ein mütterlicher Schwuler hatte
sein Jackett begutachtet und ihm versichert, es werde wirbeln; eine Person im
heiratsfähigen Alter hatte ihm Puder auf die Stirnglatze getupft; um das
Programm schien sich jedoch niemand zu kümmern. Auch die Realisatorin hatte ihn
verlassen, nachdem sie sich sein Einverständnis gesichert hatte, im Programm
mitzumachen.
    Sie sagte, sie wolle versuchen,
jemanden zu finden, der ihn einweisen würde, den Chef vom Dienst vielleicht,
falls der nicht zu beschäftigt sei, aber sie hatte nicht sehr überzeugend
geklungen. Ihre nachdrückliche Versicherung, Zenobia — es könnte auch Harriet
gewesen sein — werde sich die Schreibweise seines Namens einprägen, konnte ihn
nicht trösten. Mr. Pringle wollte anonym bleiben. Pensionierte Mitglieder der
Steueraufsicht Ihrer Majestät wie er unterlagen strengen Beschränkungen, was
ihre Äußerungen zur Steuerpolitik betraf. Wenn seine Kommentare Ärgernis
erregten, könnte er gerichtlich belangt werden. Mr. Pringle fröstelte bei dem
Gedanken.
    Er hörte, wie die drei Minuten
bis zum Auftritt ausgerufen wurden, woraufhin seine Freundin Mavis Bignall ihm
die Hand drückte. Er war zu nervös, um zu reagieren. Mal angenommen, er trifft
seinen Interviewer nicht mehr vor der Sendung. Das wurde jetzt immer
wahrscheinlicher. Was war, wenn er die Fragen nicht verstand? Die Nervosität
könnte ihn taub machen. Bei bestimmten Aktivitäten war das heutzutage der Fall.
    Der Bote stürzte mit noch einem
Zettel herein, den er auf die anderen heftete. Unter der Überschrift
ALLERLETZTER SENDEPLAN sah das Blatt für Mr. Pringle wie ein Beweis für den
Mangel an sorgfältiger Planung aus. Ästhetisch bildete das grüne Papier einen
angenehmen Kontrast zu den rosa, pfirsichfarbenen und blauen Sendeplänen, die
vorangegangen waren. Er ging hinüber, um festzustellen, an welcher Stelle er im
neuen Schema gelandet war.
    Nur ein Zufall hatte Mr.
Pringle nach Bath gebracht. Ein Zufall und der dahingeschiedene, unbeweinte
Herbert Bignall. Dieser Mensch hatte sich zu Lebzeiten als eine ziemliche
Enttäuschung erwiesen, aber sein Tod hatte Überraschungen gebracht. Seine Witwe
rief Mr. Pringle höchst aufgeregt an. Herbert hatte offenbar eine Versicherung
für eine seiner vielen Freundinnen abgeschlossen, aber unterlassen, ihren
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