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Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten

Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten

Titel: Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten
Autoren: Katherine Hannigan
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diesem speziellen Zeitpunkt auf diese spezielle Frage zu antworten.
    Aber nur weil du einen Gedanken mundtot gemacht hast, heißt das noch lange nicht, dass du ihn los bist. Und dieser Gedanke war schlau. Er verbarg sich und hielt still, aber er war jederzeit zum Angriff bereit, sobald ich ungeschützt wäre. Und er traf mich dort, wo ich am verletzlichsten war.

    Miss Washington war zu dem Schluss gekommen, dass die Gastleser-Idee gut war, und hatte auch anderen Kindern die Chance zum Vorlesen gegeben, sogar unserem »Großmaul«. Aber auch mir gefiel die Idee, denn das hieß, dass ich irgendwann wieder an der Reihe war, und es juckte mich, eine zweite Chance zu bekommen. Doch das ließ ich Miss W. natürlich nicht merken.
    Deshalb hatte ich meine Antwort schon lange bereit, als sie eines Dienstags - ungefähr anderthalb Wochen nachdem ich meinen Teil zum Schutz des Tals vor Eindringlingen getan hatte - sagte: »Du bist schon wieder
dran mit Lesen, Ida. Was hältst du also davon, wenn du das nächste Kapitel unseres Buchs vorliest?«
    »Einverstanden«, hatte ich beschlossen zu antworten, ohne allzu begeistert zu wirken, aber auch ohne den geringsten Zweifel an meiner Bereitschaft aufkommen zu lassen.
    Das war, was ich beschlossen hatte, das war, was ich zu sagen bereit war, und das war, was mein Körper willens war zu tun. Aber mein Gehirn machte stattdessen dies: Es dachte an Claire.
    Es dachte an die Magie, die entsteht, wenn du eine Geschichte richtig erzählst und jeder, der sie hört, nicht nur die Geschichte gern hat, sondern auch dich ein bisschen, weil du so gut erzählst. So wie ich Miss Washington gern mochte, seit ich sie das erste Mal hatte lesen hören, ich hatte gar keine Wahl. Wenn du jemanden eine Geschichte gut lesen hörst, kannst du überhaupt nicht anders, als zu glauben, dass in ihm etwas Gutes steckt, auch wenn du ihn gar nicht kennst.
    Und ich überlegte, dass dasselbe ja dann auch für mich galt. Dass all die Kinder, die mich nicht kannten, und sogar Miss Washington, die mich so gut wie nicht kannte, vielleicht nette Dinge über mich dächten, nur weil ich meine Stimme hob und senkte, verlangsamte und beschleunigte, besänftigte und verschärfte, während ich vorlas. Nur weil ich die Geschichte für sie ein bisschen lebendig werden ließ.
    Doch ich wusste, es gab jemanden unter ihnen, der einen Teil von mir gesehen hatte, den niemand sonst kannte. Sie würde dasitzen und zuhören, wie meine
Stimme innehielt und wieder anhob, sanft dahinglitt oder sich schüttelte, und wäre überhaupt nicht beeindruckt. Sie würde nicht an meine Güte glauben, nur weil ich eine Geschichte gut erzählen konnte.
    Ich habe die richtige Ida gesehen, würde sie sich sagen, und die war grausam und egoistisch und sauer wie eine Zitrone.
    Sie wusste, ich war gemein. Und plötzlich wusste ich es auch.
    Und ich wusste, ich konnte an diesem Tag unmöglich lesen. Jemand, der einen kalten, harten Stein als Herz hat und das auch noch toll findet, jemand, der die Leute nicht ansieht oder Danke sagt, jemand, der Kinder erschreckt und dem es egal ist, ob sie weinen, der sich noch nicht mal etwas draus macht, wenn die ganze Welt weint, denn wenigstens wissen dann mal alle, wie das ist, also... Selbst wenn ich die Worte laut lesen und süß und sauer, lang und kurz, hoch und tief klingen lassen könnte, würde ich in meinem Kopf immer nur hören: Du bist gemein.« Und ich wusste genau, das könnte ich nicht ertragen.
    »Ich kann nicht. Mir ist nicht gut«, erklärte ich Miss W.
    »Bist du sicher?«
    »Ja, Madam«, sagte ich zu meinen Füßen, denn ich konnte Miss W. nicht in die Augen sehen.
    Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. »Dann ein andermal, Ida.«
    »Ja, Madam«, flüsterte ich.
    Mein Kopf wurde so schwer, dass ich ihn auf das Pult legen musste, und meinem Körper wurde so kalt, dass ich
die Arme um ihn schlagen musste. Meine Augen waren so müde, dass ich sie fest schließen musste, sodass im Innern nur tiefes Blau herrschte.
    Patrice las vor und ich war froh über den Klang ihrer Stimme in der Bläue. Nicht so sehr über die Worte, nur über den Klang.

26. KAPITEL

    Am Mittwoch setzte sich Miss W. in der Pause neben mich auf die Treppe so wie immer. So wie immer fragte sie mich auch: »Irgendwas, worüber du reden möchtest, Ida?«
    »Nein, Madam«, antwortete ich sofort, denn das sagte ich jedes Mal.
    Und zum Glück blieb Miss W. immer noch ein paar Minuten sitzen. Denn ich dachte, wenn ich nicht bald mit jemandem
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