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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann
Autoren: Eva Völler
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widerwärtig seifigem
Geschmack zu. Noch schlimmer waren die Stiche und das Klopfen in seinen
Füßen. Er hegte den Verdacht, dass es seinen Knochen nicht gut getan
hatte, als er mit dem Stuhl umgefallen war. Der Klotz war zwar fast
gleichzeitig mit ihm umgekippt – aber eben nur fast.
    Doch seine Beine waren jetzt zweitrangig. Xavier hatte sich
nicht nur die Stelle gemerkt, an der das Blatt heruntergesegelt war,
sondern sich auch eingeprägt, wo Anton das Video fallen gelassen hatte.
Er versuchte, es in die Brusttasche seines Sakkos zu schieben, doch es
passte nicht hinein. Kurzerhand nahm er es zwischen die Zähne und
robbte weiter. Er empfand es als – verdienten –
glücklichen Fingerzeig des Schicksals, dass er nach wenigen Metern auch
noch auf den Koffer stieß, den dieser irre Killer vermutlich dort
abgestellt hatte, um beide Hände zum Schießen frei zu haben.
    Es gab ein kleines Transportproblem, das Xavier jedoch schnell
löste. Er legte einfach das Video zu seinem Geld in den Koffer, klappte
ihn wieder zu, schob den Griff zwischen die Zähne und machte sich auf
den langen, beschwerlichen Weg zum Tor. Dieses stand inzwischen weit
offen, und überall waren herumrennende Beine zu sehen.
    Es könnte sinnvoll sein, den Koffer an sicherer Stelle zu
deponieren, überlegte Xavier, vielleicht hinter einem dieser
bröckelnden Ziegelhaufen da drüben. Zumindest vorübergehend. Bis er
befreit war. Dann könnte er morgen oder übermorgen oder nächste Woche
ungestört …
    Eines der vielen Beinpaare kam mitten durch das Tohuwabohu auf
ihn zu. Xaviers Blicke wanderten von den schlecht geputzten Schuhen
über die fleckigen Hosenbeine hoch bis zum abgetragenen Trenchcoat.
Kleff beugte sich zu ihm herab, nahm ihm den Koffer aus dem Mund,
klappte ihn auf und unterzog das Video und die Geldstapel kurzer,
emotionsloser Betrachtung. »Tja«, sagte er mit bezeichnendem Blick auf
den Zementklotz, »jetzt weiß ich auch, wo das Sprichwort herkommt.«
    »Äh?«, machte Xavier dümmlich.
    »Lügen haben kurze Beine.«

Kleine
Fische schwimmen schneller
    D iesmal, so beglückwünschte Herbert
Schartenbrink sich mit wild klopfendem Herzen, hatte er es wirklich
geschafft. Allein die Sequenzen, die sie bis jetzt im Kasten hatten,
waren nicht mehr zu überbieten. Und er klopfte sich im Geiste selbst
auf die Schulter, dass er das große Team zusammengetrommelt hatte,
Beleuchter, Kameramann, Tontechniker, Assistent und Aufnahmeleiter.
Alles war bestens, inklusive Ü-Wagen. Niemand würde ihm diese Live-Show
vermasseln.
    Sie hatten einen Over-Shoulder-Shot mit Schartenbrink gemacht,
wie er auf die runtergekommene Ziegelei zulief, dann einen Schwenk auf
die näher kommenden Blaulichter, wieder zurück zur Fabrik. Und
anschließend die ganze Polizeiaktion von Anfang an bis jetzt.
    Gerade wurden die beiden Knechte vom Zigeuner in einen der
Streifenwagen verladen, in Handschellen, Bullenfäuste im Nacken, wie es
sich gehörte.
    Zeit für einen kurzen Schwenk auf den Kommentator.
    Schartenbrink sah das Auge der Kamera und glühte förmlich auf.
»Meine Damen und Herren! Wir wurden soeben Zeuge, wie ein
Sondereinsatzkommando der Polizei nach Abwurf einer Blendgranate schwer
bewaffnet das Gebäude stürmte. Es handelt sich hierbei um eben jene
Fabrik, in der Zacharias Ziegler alias Ziggy der Zigeuner vor einigen
Monaten Wilhelm Tellmeiers Füße in Beton gegossen haben soll, um ihn
dann später im Baggersee zu ertränken. Wie Sie sicher alle noch wissen,
wurde Ziegler in dem erst kürzlich zu Ende gegangenen Mordprozess
freigesprochen. Verteidiger in diesem Aufsehen erregenden Verfahren war
Dr. Anton Winkler, nach dem die Polizei seit Tagen fieberhaft wegen
einer möglichen Beteiligung an dem Banküberfall fahndet. Im
Zusammenhang mit dem Bankraub sucht die Polizei ferner nach der
hochschwangeren Autorin Flora Zimmermann. Unserer Redaktion liegen
vertrauliche Informationen vor, denen zufolge sich der Anwalt und die
Mutter hier aufhalten sollen.«
    Schwenk auf das Gebäude, eine Totale, dann Zoom auf den Qualm,
der aus den Fenstern drang.
    Und die ganze Zeit die Knallerei der Schüsse.
    Jetzt! Da tat sich was! Zwei Polizisten kamen raus, kräftige
Typen, und sie trugen etwas …
    Schartenbrink, den es einen Dreck scherte, ob er erschossen
wurde (man stelle sich die Quote vor!), ging mit Todesverachtung aufs
Zentrum des Geschehens zu. Die Männer vom Team folgten ihm mit einiger
Verzögerung und blieben nach wenigen Schritten wie vor
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