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Ich schau dir zu: Roman (German Edition)

Ich schau dir zu: Roman (German Edition)

Titel: Ich schau dir zu: Roman (German Edition)
Autoren: Paule Angélique
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mieses Spielchen mit mir. Bald würde er mich losbinden und mit mir das Abendessen und den Champagner teilen. Doch ich hatte mich wohl geirrt. Er ging zur hinteren Kellerwand. Ich hörte Glas klirren. Während ich mich fragte, was er da tat, bekam ich noch größere Angst. Da kam er auch schon wieder zu mir, in der Hand eine leere Flasche, deren Bauch er streichelte.
    »Was machst du da?«
    Ich fing an zu zittern.
    »Man könnte meinen, Lady Chatterley verliert ihren Hochmut. Habe nicht auch ich, wie Monsieur Ayme, ein Recht auf deren Großzügigkeit?«
    Er stellte sich hinter mich und zwang mich, die Beine zu spreizen. Ich wehrte mich, aber bei seiner Kraft, die von seiner Entschlossenheit noch gesteigert wurde, hatte er keine Mühe, die Flasche in mich hineinzuschieben. Ich spürte das kalte Glas. Beim Eindringen des Flaschenhalses entfuhr mir ein Schrei. Mit einer Hand knebelte Harry mich, er drückte so fest zu, dass ich keine Luft mehr bekam, während er mit der anderen Hand die Flasche immer wieder weit hineinschob und erneut herauszog. Ich meinte in meinem Innersten ein Reißen zu spüren.
    »Wie du siehst«, sagt er, »vernachlässige ich dich jetzt nicht mehr. Ich habe eine große Künstlerin zur Frau und eine offene Fotze zur Geliebten. Stets bereit, sich hinzugeben. Ich will, dass du immer für mich offen bist.«
    Meine Arme dehnten sich schmerzhaft in dieser hängenden Haltung. Harry nahm die Hand von meinem Mund und presste sie so stark auf meinen Unterleib, dass der stechende Schmerz meine Qualen noch verdoppelte. Unter meinem Gewebe wurde das Glas bedrohlich bauchiger. Ich wurde ohnmächtig.
    Das Vogelgezwitscher kam mir ohrenbetäubend vor. Der Tag war angebrochen und durchdrang den Raum mit einem Lichtstrahl wie mit einer Projektorlampe. Ich fror, mein Magen war verkrampft, meine Gelenke waren steif. Ich sah wieder die Bilder vom Vorabend vor mir. Ich war losgebunden worden, hatte mich in fötaler Haltung auf dem nackten Boden zusammengekrümmt, und Harry war verschwunden. Ich rappelte mich auf, mit tauben Beinen, schmerzenden Armen. Mit Müh und Not erklomm ich die wenigen Stufen, erkannte die Struktur des kalten Steins unter meiner Hand wieder. Ich versuchte, die Tür aufzudrücken. Vergeblich. Dann stieg ich die Treppe wieder hinunter und reckte mich zum Oberlicht hinauf. Durch den Spalt könnte ich nachschauen, ob unser Wagen noch an derselben Stelle stand. Ich sah Reifenspuren im Gras, auf dem noch der Tau perlte. Harry war weggefahren.
    Es gelang mir nicht, Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Ich musste unbedingt etwas essen. Ich hätte alles verschlungen. Zufällig fand ich einen Rest unserer Vorräte, die wir hier unten im Dunkeln gelagert hatten. Ich riss hastig einen Käse aus der Verpackung und biss herzhaft hinein. Ich hatte auch Durst. Ich blickte mich im Keller um. Ich schlug eine Flasche an die Wand, damit der Flaschenhals brach. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass keine Splitter mehr daran hingen, trank ich den Wein in ausgiebigen Schlucken. Ich fühlte mich schmutzig. Mir drehte sich der Kopf von diesem barbarischen Frühstück, aber auch aus Angst und Erschöpfung. Vielleicht hatte Harry den Wagen nur umgeparkt? Vielleicht war er noch immer in der Nähe – und beobachtete mich heimlich? Wieder und wieder rief ich, die Hände vor dem Mund zum Trichter geformt, mit beklommenem Herzen nach ihm. Vom hinteren Teil des Grundstücks kam Byron angerannt. Nie war ich so froh gewesen, ihn zu sehen. Er kam, schob seine Schnauze durch die Gitterstäbe des Oberlichts und leckte meine Hand.
    »Byron, wo ist Harry? Such, Byron, such irgendjemanden!«
    Ich sah seine heraushängende Zunge und seine fragenden Augen, als würde er begreifen, dass er die einzige Verbindung seines Frauchens zur Außenwelt war. Er machte kehrt, lief zur Veranda und verschwand aus meinem Blick. Am späten Nachmittag kam er wieder, und die Szene wiederholte sich. Von Neuem hechelte er mich an, das war’s.
    Ich muss wohl an die zweiundsiebzig Stunden gefangen gewesen sein. Völlig niedergeschmettert deckte ich mich nachts mit den Säcken zu, tagsüber schlug ich die Zeit tot, indem ich Liedtexte murmelte, die ich mühsam aus meinem Gedächtnis hervorkramte, und aß die letzten Lebensmittel auf, ohne sie mir einzuteilen, weil ich ohnehin keinen Ausweg mehr sah. Einem – ich weiß nicht, welchem – hirnrissigen Plan folgend, hatte Harry mich aufgegeben.
    Der Unfall hatte sich auf der Autobahn auf der Höhe von
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