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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
Autoren: Stephan Harbort
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Reaktion erkennen ließ. Kroll sprach nicht, bewegte sich nicht. Er versteckte seine Augen hinter einer dunklen Brille, presste die Lippen aufeinander und hielt die Hände über dem Schoß gefaltet. Sein Blick schien teilnahmslos ins Leere zu gehen.
    Es folgte die Urteilsbegründung. Das Publikum blieb über Stunden gespenstig ruhig, während Richter Schimmann die grausamen Details der Mordorgien Krolls erörterte. Es wurde gewürgt, gestochen, gedrosselt, geschnitten, geschlitzt, gesägt, gekocht, gegessen.
    Das Gericht hatte sich über die Empfehlungen zweier »international anerkannter« Sachverständiger hinweggesetzt. Das war und ist außergewöhnlich, normalerweise war und ist es umgekehrt. Kroll wurde »volle Schuldfähigkeit« attestiert, an seiner Täterschaft in neun Fällen bestand »nicht der geringste Zweifel«. »Alles überwölbend war der Sadismus«, erklärte der Vorsitzende, »er war der Kern seiner Anomalie«. Das Gericht habe die Frage zu beantworten gehabt, ob Kroll »ein willenloses Opfer seines Triebes gewesen sei«. Es könne »nicht ausgeschlossen werden«, so Richter Schimmann, dass Kroll »im Augenblick der Tötung« unzurechnungsfähig gewesen sei. Ansonsten aber sei er »in überlegter Manier wie ein geschickter Jäger zu Werke gegangen«.
    Wenn er sich ein Opfer gesucht habe, sei er stets auf Sicherheit bedacht gewesen, um nicht geschnappt zu werden. Er sei über 20 Jahre unentdeckt geblieben, weil er einem »Generalplan« folgend seine Verbrechen vorbereitet und ausgeführt habe. Deshalb müsse das Gericht, auch unter Berücksichtigung eines möglichen frühkindlichen Hirnschadens, auf vollendete und versuchte Morde erkennen.
    Der Vorsitzende betonte, dass zur »sicheren Überzeugung« des Gerichts bei allen Taten die Steuerungsfähigkeit Krolls »nicht ausgeschlossen, sondern allenfalls nicht ausschließbar erheblich vermindert« gewesen sei. Die »hochgradig abnorme, defekte Persönlichkeit« dieses Mannes rechtfertige indes nicht den Schluss, »es habe eine so tief greifende psychoseartige Triebentgleisung stattgefunden, dass der Angeklagte bei Begehung der Tötungsdelikte schuldunfähig gewesen sei«.
    Die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit Krolls leitete das Gericht aus einer Reihe von Merkmalen her, die insbesondere aus seinem Verhalten, der Persönlichkeit und den Lebensumständen resultierten: Der Angeklagte habe sich als »hinreichend lebenstüchtig« erwiesen, sei »keineswegs völlig isoliert« und »absolut kontaktunfähig« gewesen, habe durchgängig ein »erstaunliches Selbstbeherrschungsvermögen« erkennen lassen und es sei ihm »seit dem Jünglingsalter stets gelungen, seine Sexualnot geheim zu halten«. Auch der »Erfindungsreichtum« bei seinen sexuellen Ersatzhandlungen an Tieren und Puppen sei »ein Zeichen für hinreichende geistige Flexibilität«. Der Angeklagte wäre »selbst Verführungssituationen keineswegs als Sklave seines übermächtigen Triebes hilf- und willenlos ausgesetzt gewesen«, er habe »genügend Hemmungen gegen seine sadistische, auf Tötung des Sexualobjekts gerichteten Wunschvorstellungen aufbringen können«.
    Kurzum: Kroll hatte nicht morden müssen, er hätte die tödlichen Attacken auch unterlassen können – wenn er nur gewollt hätte. Die »nicht ausschließbare erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit zu den Tatzeiten« sah das Gericht durch »zahlreiche schulderhöhende Umstände mehr als ausgeglichen«. Es kreidete Kroll insbesondere die »brutale Tatausführung«, die »rohe Gewaltanwendung«, die »Vielzahl der Taten«, die »geschickten Verdeckungsmaßnahmen« und seine »hohe Gefährlichkeit« an.
    Wie stark das Tötungsverlangen dieses Mannes tatsächlich ausgeprägt war, lässt sich auch heute nicht mit letzter Gewissheit sagen. Und ob die festgestellten äußeren Tat- und Lebensumstände immer geeignet erscheinen, um verlässlich auf die innere Tatseite schließen zu können, ist ebenso fragwürdig. Dennoch war die Konsequenz, die das Gericht aus seinen Gräueltaten herleitete, vollkommen zutreffend und berechtigt: »Abschließend ist nochmals hervorzuheben, daß der Angeklagte durch die von ihm begangenen nahezu unfaßbaren Taten schwerste Schuld auf sich geladen hat, für die er sühnen muss. Er ist zudem in höchstem Maße gefährlich, weil er bewußt – sobald er sich sicher fühlt – seinen Tatimpulsen keine Hemmungen entgegenstellt, um höchste Geschlechtslust und Befriedigung zu erreichen. Er darf deshalb
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