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Ich liebe mich... Sabrina (German Edition)

Ich liebe mich... Sabrina (German Edition)

Titel: Ich liebe mich... Sabrina (German Edition)
Autoren: Herfried Loose
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Die hatte ja wirklich eine Bugwelle, nicht von schlechten Eltern! Ich sah Hannelore an, dass auch sie schluckte und ihre Schwierigkeiten mit der schnoddrigen Art Angelikas zu haben schien. Wir aßen zunächst schweigend, erst beim Dessert kam wieder so etwas wie ein Gespräch zustande. Hannelore ließ uns wissen, dass sie nach der Mittagsruhe in den Ort gehen wolle, weil bei ihr heute Nachmittag nichts weiter auf dem Programm stand.
       »Kann ich mit?«, fragte Angelika überraschend in Richtung Hannelore. Ihre Frage klang so kindlich wie sie aussah. »Ja, wenn Sie, ääh, wenn du willst, treffen wir uns nach der Mittagsruhe in der Eingangshalle«, schlug Hannelore überrumpelt vor.
       Ich musste schmunzeln; Angie war wirklich gut! Sie hatte eine Art Leute zu überrumpeln, unglaublich! Irgendwie konnte man ihr aber nicht wirklich böse sein, weil sie so spontan und kindlich naiv wirkte.
       Na, ich war gespannt, wie die beiden den Nachmittag verbringen würden und war auf alles gefasst: Hannelore mit ihrer etwas altbackenen Art, zusammen mit dieser rotzfrechen Göre, das konnte ja was geben...
     
    Nach der Mittagsruhe - uns wurde doch tatsächlich vorgeschrieben, Bettruhe zu halten - hatte ich noch kurz Zeit, eine Tasse Kaffee zu trinken. Anschließend sollte ich bei Herrn Sibelius, Zimmer 404, vorsprechen. Er war der Psychotherapeut im Hause. Ich war neugierig, hatte ich doch noch nie mit einem Therapeuten zu tun gehabt.
       Das Gespräch verlief sehr nett. Ich musste nicht auf die Couch , wie ich mir das immer bildlich so ausgemalt hatte, sondern wir hatten ein ganz normales Gespräch zwischen zwei erwachsenen Menschen, die sich noch nicht kennen. Herr Sibelius war schlank und mindestens einsneunzig groß. Die Haare auf der Stirn waren einer beachtlichen Stirnglatze gewichen, was ihn älter aussehen ließ, als er vermutlich war. Ich schätzte ihn auf Anfang Fünfzig. Er trug einen beigen Pullover mit Lederbesatz auf den Ellbogen und eine randlose Brille. Wenn er lächelte, was er meistens tat, bildete sich auf seiner linken Wange ein Grübchen. Das verlieh ihm einen verschmitzten Gesichtsausdruck. Er stellte sich selbst kurz vor und nahm mir meine Ängste, indem er sagte: »Frau Hartmann, hier geschieht nichts, was Sie nicht wollen. Sie haben immer die Möglichkeit, sofort zu sagen, das ist mir unangenehm oder das Gespräch möchte ich bitte an dieser Stelle unterbrechen, weil ich mich nicht gut fühle .«
       Was mich irritierte war, dass er sich keinerlei Notizen machte. Er musste über ein ausgezeichnetes Gedächtnis verfügen.
       Ich dachte über seine Bemerkung nach und fragte mich, warum ich mich bei bestimmten Gesprächsthemen unwohl fühlen sollte? Hatte ich mich doch bisher als offen und wenig verklemmt eingestuft. Unseren Freunden redete ich häufig eher zu viel als zu wenig. Laut meinem Kurplan hatten Herr Sibelius und ich, zweimal wöchentlich eine Stunde für Persönliche Gespräche zugestanden bekommen.
    Wir sprachen über meine häusliche Situation und über unser soziales Umfeld, damit meinte er unseren Freundes- und Bekanntenkreis. Die Stunde flog vorbei. Ich konnte kaum glauben, dass sie bereits zu Ende war, als Herr Sibelius plötzlich aufstand und mir während der Verabschiedung doch tatsächlich eine Hausaufgabe , wie er es nannte, übergab. Er reichte mir dazu einen Bogen und bat mich, die oben angeführte Frage bis zum Montagabend zu beantworten und im geschlossenen Briefumschlag in den Briefkasten an seiner Bürotür einzuwerfen. Das wird ja immer schöner, dachte ich, auch noch Hausaufgaben aufbekommen! Wieder kam mir das Bild eines Schullandheimes in den Sinn. Ich schaute auf den Bogen und las die Frage, die meine erste Aufgabe sein sollte:
     
       Wenn ich keine Angst hätte, würde ich ...?
     
    Oha, das war ja mal 'ne Frage! Na, egal, ich würde mich später daransetzen. Irgendetwas würde mir schon zu dem Thema einfallen.
       Ich beschloss, noch eine kleine Runde durch den Klinikpark zu gehen. Es war ein frischer Wind aufgekommen, der die Wolkenfetzen in schnellem Spiel vor sich her trieb. Wir hatten Nordwind. Ich nahm den salzigen Geruch der nicht weit entfernten Ostsee wahr. Spontan beschloss ich, demnächst einmal, sobald es mir meine Zeit erlaubte, mit dem Fahrrad an den nahe gelegenen Strand zu fahren. In meine wetterfeste Jacke eingemummelt, bummelte ich zu dem mächtig rauschenden Brunnen im Park. Kaskaden von Wasser ergossen sich von einer Stufe hinab zur
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